Ergreift ein Unfallverursacher zahlreiche Maßnahmen, die eine Aufklärung des Unfallhergangs ermöglichen, so kann ihn sein Kfz-Haftpflichtversicherer nicht in jedem Fall wegen vorsätzlicher Verletzung seiner Aufklärungspflicht in Regress nehmen. Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an. Das geht aus einer jetzt bekannt gewordenen Entscheidung des Hamburger Landgerichts vom 18. Juli 2011 hervor (Az.: 331 S 71/10).
Nach einem Bericht des Deutschen Anwaltvereins war eine Autofahrerin bei einem missglückten Wendemanöver mit ihrem Pkw gegen ein geparktes Fahrzeug geprallt.
Streit um 2.000 Euro
Doch sie benachrichtigte weder die Polizei noch wartete sie am Unfallort auf den Halter des parkenden Autos. Stattdessen klemmte sie einen in Plastikfolie verpackten Zettel mit ihrem Namen, ihrer Telefonnummer sowie dem Kennzeichen ihres Fahrzeugs unter den Scheibenwischer des beschädigten Fahrzeugs.
Bevor sie die Unfallstelle zusammen mit ihrem Ehemann verließ, machte dieser außerdem Fotos von den Beschädigungen sowie der Position der beiden Fahrzeuge.
Ihr Kfz-Haftpflichtversicherer regulierte pflichtgemäß den Schaden. Er nahm seine Versicherte jedoch wegen vorsätzlicher Verletzung ihrer Aufklärungspflicht in Höhe seiner Aufwendungen von rund 2.000 Euro in Regress.
Die Versicherte war der Meinung, ihre Aufklärungspflicht nicht verletzt zu haben. Aufgrund der ausführlichen Dokumentation des Unfalls sowie der Tatsache, dass sie nicht bestritten habe, das Fahrzeug gefahren und den Schaden verursacht zu haben, seien die Aufklärungsinteressen ihres Versicherers gewahrt worden. Sie wies dessen Forderungen daher als unbegründet zurück.
Kein Vorsatz
Der Fall landete schließlich vor dem Hamburger Landgericht. Dort erlitt der Versicherer eine Niederlage.
Nach Ansicht des Gerichts hat die Versicherte zwar zweifelsohne den Straftatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort erfüllt, indem sie den Unfallort verlassen hat, ohne zuvor Feststellungen zu ihrer Person, ihrem Fahrzeug und der Art ihrer Unfallbeteiligung zu ermöglichen.
Die Richter ließen jedoch wegen der ausführlichen Dokumentation sowie dem Hinterlassen ihrer Kontaktdaten Milde walten. Denn dadurch habe sie zu erkennen gegeben, dass sie weder vorsätzlich den Straftatbestand der Unfallflucht erfüllen noch ihrem Versicherer die Aufklärung des Sachverhalts erschweren wollte. Nach Überzeugung des Gerichts hätte nämlich auch ein Polizeibeamter den Unfallhergang nicht besser dokumentieren oder weitere Feststellungen treffen können.
Normalerweise haben Versicherte, die sich unerlaubt vom Unfallort entfernen, nicht so viel Glück wie in dem vom Hamburger Landgericht entschiedenen Fall. Denn in der Regel urteilen die Gericht zu Gunsten der Versicherer (VersicherungsJournal 27.10.2010, 9.11.2010).
(Quelle VersicherungsJournal)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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