09.07.2012
Wenn ein Fünfjähriger einen Fußgänger umradelt

Kommt es zwischen einem auf einem Bürgersteig radelnden fünfjährigen Kind und einem Fußgänger an einer unübersichtlichen Stelle zu einem Unfall, so sind die Eltern des Kindes in der Regel nicht zum Schadenersatz verpflichtet. Das geht aus einem kürzlich bekannt gewordenen Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 24. August 2011 hervor (Az.: 5 U 433/11).
Der seinerzeit 76-jährige Kläger war im August 2009 als Fußgänger auf einem Bürgersteig unterwegs, als ihm an einer durch Sträucher und Gebüsch eingebetteten Wegbiegung ein fünfjähriger Junge auf seinem Kinderfahrrad entgegen kam.
Dabei fuhr im das Kind gegen sein rechtes Bein. Bei dem Unfall wurde der Kläger so erheblich verletzt, dass er einen Dauerschaden davontrug.
Verletzung der Aufsichtspflicht?
Mit dem Argument, ihre Aufsichtspflicht verletzt zu haben, indem sie nicht dafür gesorgt hatte, dass ihr Kind während der Fahrradtour von einem in seiner unmittelbaren Nähe befindlichen Erwachsenen begleitet wurde, forderte der Kläger von der Mutter des Jungen Schadenersatz und Schmerzensgeld.
Damit hatte der Mann zunächst Erfolg. Das von ihm angerufene Landgericht sprach ihm unter anderem ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro zu. Gegen dieses Urteil legte die Mutter jedoch Berufung beim Koblenzer Oberlandesgericht ein. Dort erlitt der Kläger eine Niederlage.
Nicht zu verhindern
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war der Fünfjährige zunächst mit einem erwachsenen Bekannten seiner Mutter auf einem in der Nähe gelegenen Spielplatz gewesen. Von dort fuhr der Junge mit seinem Fahrrad in Richtung seiner Wohnung los, ohne dabei unmittelbar von dem Bekannten verfolgt zu werden. Kurz darauf kam es zu dem Unfall.
Das Gericht stimmte zwar mit dem Kläger darin überein, dass es nicht geboten war, das Kind unbegleitet von dem Spielplatz fortradeln zu lassen. Nach Überzeugung der Richter wäre es jedoch selbst dann zu dem Unfall gekommen, wenn sich ein Aufsichtspflichtiger in seiner unmittelbaren Nähe befunden hätte. Denn ein rechtzeitiges Eingreifen an der schlecht einsehbaren Unfallstelle wäre kaum möglich gewesen.
Im Übrigen sind Aufsichtspflichtige nach Ansicht des Gerichts ohnehin nicht dazu verpflichtet, sich unmittelbar im Bereich eines radelnden fünfjährigen Kindes aufzuhalten, wenn dieses den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung entsprechend auf einem Gehweg fährt. Denn dort sei in der Regel nicht mit eklatanten Gefahrensituationen zu rechnen.
In dem entscheidenden Fall kommt hinzu, dass dem Jungen die örtlichen Gegebenheiten bestens bekannt waren. Auch mit äußeren Einflüssen, die ihn zu Unachtsamkeiten hätten verleiten können, war nicht zu rechnen.
Vergleichbare Entscheidungen
Dass er die Wegstrecke im Auge zu behalten und Hindernissen auszuweichen hatte, brauchte ihm nach Meinung der Richter ebenfalls nicht weiter nahe gebracht werden. Denn es war zu erwarten, dass er in seinem Alter über die Einsichtsfähigkeit verfügte, schon im eigenen Interesse so zu handeln.
Die Klage wurde daher als unbegründet zurückgewiesen. Eine Veranlassung, eine Revision zum Bundesgerichtshof zuzulassen, sahen die Richter im Übrigen nicht.
In ähnlichen Fällen waren sowohl das Amtsgericht München (VersicherungsJournal 20.12.2007) als auch das Landgericht Coburg (VersicherungsJournal 30.9.2008) zu vergleichbaren Einschätzungen gelangt.
(QuelleVersicherungsJouranl 19.03.2012)

Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
juergenzwilling@auc-zwilling.de ursulazwilling@auc-zwilling.de