18.06.2012
Schokoladenverzehr führt zu Unfalltod

7.3.2012 – Es stellt einen Unfall im Sinne einer privaten Unfallversicherung dar, wenn eine auf die Stoffe bestimmter Lebensmittel allergisch reagierende versicherte Person versehentlich beziehungsweise unbewusst ein Lebensmittel zu sich nimmt, an dem sie verstirbt. Das hat das Oberlandesgericht München mit Urteil vom 1. März 2012 entschieden (Az.: 14 U 2523/11).
Der Entscheidung lag der Fall eines unter verschiedenen Allergien leidenden 15-jährigen Kindes zugrunde.
Allergischer Schock
Das geistig behinderte Kind hatte am Heiligabend des Jahre 2009 in einem unbeobachteten Augenblick nusshaltige Schokolade gegessen. Weil es unter einer Haselnussallergie litt, starb es kurz darauf an einem allergischen Schock.
Die Mutter des Kindes machte Ansprüche aus einer bei dem beklagten Versicherer abgeschlossenen Familienunfall-Versicherung geltend, in deren Rahmen ihr Kind mitversichert war. Der Unfallversicherer weigerte sich jedoch, den von ihr geforderten Betrag in Höhe von 27.000 Euro, der für den Fall eines Unfalltodes vereinbart war, zu zahlen.
Er war der Ansicht, dass die Todesursache ungeklärt war und im Übrigen kein Unfall im Sinne der Versicherungs-Bedingungen vorgelegen hätte. Denn ein willensgesteuerter normaler Verzehr von Schokolade sei kein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis.
Doch dem wollten die Richter des Münchener Oberlandesgerichts nicht folgen. Sie gaben der Klage der Mutter gegen den Versicherer statt.
Unfreiwillige Einwirkung
Nach der Aussage eines von dem Gericht beauftragten medizinischen Sachverständigen steht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass das Kind an den Folgen einer allergischen Reaktion auf Nahrungsmittel verstorben ist. Denn es hatte Schokoladentäfelchen von dem gedeckten Weihnachtstisch genommen, die möglicherweise Nussbestandteile enthielten.
Der versehentliche oder unbewusste Verzehr von Allergenen zusammen mit anderen Nahrungsstoffen stellt aber ähnlich wie im Sozialversicherungs-Recht festgelegt einen versicherten Unfall dar, erklärte das Gericht. Denn ein solcher liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper einwirkendes Ereignis unfreiwillig gesundheitlich geschädigt wird.
Bezug auf Gesundheitsschädigung
Nach Meinung der Richter bezieht sich dabei das Merkmal der Unfreiwilligkeit nicht etwa auf die Einwirkung von außen, sondern auf die dadurch bewirkte Gesundheitsschädigung.
„Da die gesundheitsschädigende Einwirkung der Allergene auf den Körper des Kindes unfreiwillig und plötzlich, nämlich unerwartet innerhalb eines kurzen Zeitraums erfolgte, liegt nach der Definition des Paragrafen 178 Absatz 2 des Versicherungsvertrags-Gesetz im vorliegenden Fall ein Unfallgeschehen vor“, heißt es wörtlich in der Urteilsbegründung.
Keine mitwirkende Krankheit
Die Leistungspflicht des Versicherers vermindert sich nach Ansicht des Münchener Oberlandesgerichts auch nicht wegen der Mitwirkung bereits vorhandener Krankheiten oder Gebrechen bei den Unfallfolgen.
Denn unter Krankheit im Sinne der Versicherungs-Bedingungen versteht man einen regelwidrigen Körperzustand, der eine ärztliche Behandlung erfordert. Allein eine allergische Reaktionsbereitschaft stellt jedoch keine Krankheit dar. Krankmachende Symptome treten nämlich nach der Sensibilisierung erst bei neuerlichem Kontakt mit dem für die individuelle Person relevanten Allergen auf.
Revision wurde zugelassen
Solange der allergene Stoff vermieden wird, kann ein allergischer Versicherter problemlos und uneingeschränkt ohne ärztliche Behandlung leben.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das Gericht eine Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Ob der Versicherer von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wird, war nicht zu erfahren.
(Quelle VersicherungsJournal 07.03.2012)

Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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