Die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung für die ambulante Pflege sind seit Jahresbeginn leicht angehoben und die Pflegezeit für Angehörige neu geregelt worden. Doch ein Rundumschutz ist dies bei Weitem nicht. Das weiß auch die Politik und empfiehlt eine zusätzliche private Vorsorge.
Nach Angaben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMSFJ) sind derzeit über 2,4 Millionen Menschen pflegebedürftig. Circa zwei Drittel davon, also rund 1,6 Millionen Pflegebedürftige, werden von Angehörigen und/oder ambulanten Diensten zu Hause versorgt.
Möchte ein Pflegebedürftiger zu Hause versorgt werden, bekommt er notwendige Pflegehilfsmittel wie ein spezielles Bett von der gesetzlichen Pflegekasse abzüglich eines Eigenanteils bezahlt. Eine sogenannte Pflegesachleistung wird je nach Pflegestufe für eine notwendige Pflege durch einen professionellen ambulanten Pflegedienst gezahlt.
Wer sich durch einen Angehörigen oder andere ehrenamtlich tätige Pflegepersonen versorgen lässt, erhält unter Umständen ein Pflegegeld. Fast alle Geldleistungen wurden zum 1. Januar 2012 geringfügig angehoben.
Die Familienpflegezeit
Pflegende Angehörige können seit Kurzem eine Familienpflegezeit in Anspruch nehmen. Seit Jahresbeginn ist das entsprechende Familienpflegezeit-Gesetz in Kraft getreten. Damit soll es nach Angaben des BMSFJ möglich sein, nahe Angehörige über zwei Jahre lang zu pflegen und trotzdem weiterhin erwerbstätig zu bleiben.
Um als Arbeitnehmer eine Familienpflegezeit in Anspruch nehmen zu können, muss der Arbeitgeber damit einverstanden sein und eine entsprechende schriftliche Vereinbarung mit dem Beschäftigten treffen.
Arbeitnehmer, die nahe Angehörige pflegen wollen, können dann nach aktueller Gesetzeslage ihre Arbeitszeit über einen Zeitraum von maximal zwei Jahren auf bis zu 15 Stunden Wochenarbeitszeit reduzieren. Das Einkommen würde um die Hälfte der tatsächlichen Arbeitszeitreduktion verringert.
Ein Vollzeitbeschäftigter, der seine Arbeitszeit für die Pflege eines Angehörigen halbieren möchte, bekommt demnach nicht 50 Prozent, sondern 75 Prozent seines bisherigen regelmäßigen Bruttoeinkommens. Zum Ausgleich müsste er im Anschluss an die Pflegezeit wieder voll arbeiten, ohne dass sein Einkommen angehoben wird. Er würde solange die bisherigen 75 Prozent seines Bruttogehaltes erhalten, bis der gezahlte Vorschuss „abgearbeitet“ ist.
Die notwendige Aufstockung des Arbeitsentgelts während der Pflegephase kann der Arbeitgeber nach Angaben des BMFSFJ durch ein zinsloses Darlehen refinanzieren.
Das zahlt die gesetzliche Pflegekasse
Seit 1. Januar 2012 beträgt das Pflegegeld bei Pflegestufe I 235 Euro, bei Pflegestufe II 440 Euro und bei Pflegestufe III 700 Euro pro Monat. Für die Pflegesachleistung zahlt die gesetzliche Pflegekasse in Pflegestufe I bis 450 Euro, in Pflegestufe II bis 1.100 Euro und in Pflegestufe III bis 1.550 Euro monatlich.
Besonders schwer Pflegebedürftige können bis zu 1.918 Euro monatliche Sachleistung erhalten. Für eine optimale Pflege ist es möglich, das Pflegegeld und die Sachleistungen kombiniert in Anspruch zu nehmen. In diesem Fall wird das Pflegegeld anteilig um den Wert der bezahlten Sachleistungen vermindert.
Beispiel: Ein Pflegebedürftiger der Pflegestufe I nimmt Sachleistungen durch einen ambulanten Pflegedienst im Wert von 360 Euro in Anspruch. Der ihm zustehende Höchstbetrag beläuft sich auf 450 Euro. Er hat somit die Sachleistungen zu 80 Prozent ausgeschöpft. Vom Pflegegeld in Höhe von 235 Euro stehen ihm noch 20 Prozent zu, also 47 Euro.
Zuschüsse für Hilfsmittel und Umbauten
Neben den genannten monatlichen Leistungen erhält ein Pflegebedürftiger die Kosten für notwendige technische Hilfsmittel wie Lagerungshilfsmittel oder ein Notrufsystem. In der Regel ist dafür ein Eigenanteil von zehn Prozent, maximal 25 Euro, vom Pflegebedürftigen selbst zu zahlen.
Größere Hilfsmittel wie ein Pflegebett werden oft leihweise ohne Zuzahlung zur Verfügung gestellt. Für Verbrauchsprodukte wie Einmalhandschuhe oder Betteinlagen gibt es bis zu 31 Euro pro Monat. Sind Rollstühle oder Gehhilfen ärztlich verordnet, übernehmen in der Regel die Krankenkassen die Kosten.
Damit eine häusliche Pflege erst möglich wird, müssen oftmals Teile der Wohnung des Betroffenen entsprechend abgeändert werden. Die Pflegekasse gewährt für derartige Anpassungsmaßnahmen wie Türverbreiterungen, fest installierte Rampen und Treppenlifte oder einen pflegegerechten Umbau des Badezimmers auf Antrag bis zu 2.557 Euro als Zuschuss.
Keine Deckung der Kosten
Das Pflegegeld reicht in der Regel jedoch nur selten aus, um einen berufstätigen Angehörigen angemessen zu entlohnen, wenn er seinen Beruf für die Pflege nur noch eingeschränkt ausübt oder ganz aufgibt. Auch decken die Pflegesachleistungen oftmals nicht die Kosten für einen ambulanten Pflegedienst. Und auch die tatsächlichen Kosten für notwendige Umbaumaßnahmen sind meist um einiges höher als die gewährten Zuschüsse.
Ist das Einkommen des Pflegebedürftigen nicht ausreichend, um die Kosten abzudecken, kann es sein, dass der Ehepartner oder nahe Verwandte wie Kinder oder Eltern herangezogen werden. Dies gilt auch, wenn eine ambulante Pflege nicht möglich ist und das Pflegegeld für eine vollstationäre Pflege – das sind monatlich bei Pflegestufe I 1.023 Euro, bei Pflegestufe II 1.279 Euro und bei Pflegestufe III 1.550 Euro – die tatsächlichen Kosten nicht deckt.
Auch die politischen Entscheider wissen, dass die Leistungen der jetzigen gesetzlichen Pflegeversicherung für die Pflegebedürftigen wie auch für die Angehörigen nicht ausreichen. Dementsprechend hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) am 20. Januar den Entwurf eines Gesetzes zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung (Pflege-Neuausrichtungsgesetz – PNG) vorgelegt.
Beitragssteigerung geplant
Schwerpunkte des Gesetzesentwurfs sind unter anderem die Ausweitung der Leistungen aus der Pflegeversicherung für Demenzkranke sowie Änderungen in der ambulanten Pflege. Während bei der Pflege zu Hause bisher standardisierte Komplexleistungen von den Pflegediensten erbracht worden sind, sollen künftig je nach individuellem Bedarf Zeitkontingente vereinbart werden können. Außerdem ist geplant, alternative Wohnformen für Pflegebedürftige zu fördern.
Geändert werden soll auch der bisherige Pflegebedürftigkeits-Begriff. Damit die zusätzlichen Leistungen finanzierbar sind, soll nach dem Gesetzesentwurf der Beitragssatz in der sozialen Pflegeversicherung zum 1. Januar 2013 um 0,1 Beitragssatzpunkte angehoben werden. Die Politik geht davon aus, dass auch künftig die gesetzliche Pflegeversicherung keinen Rundumschutz bietet und eine zusätzliche Absicherung des Einzelnen durch eine private Vorsorge notwendig ist.
Dies zeigt folgender Satz im letzten Absatz der Vorstellung des Gesetzesentwurfes auf der Website des BMG: „Im Hinblick auf den Teilleistungscharakter der Pflegeversicherung ist eine zusätzliche private Eigenvorsorge sehr wichtig.“ Zudem bleibt abzuwarten, was von den geplanten Änderungen tatsächlich umgesetzt wird.
(Quelle VersicherungsJournal 07.02.2012)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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