Ein Verstoß gegen die Schadenminderungs-Pflicht kann in der Regel nicht angenommen werden, wenn ein Geschädigter nach einem Verkehrsunfall zunächst einen Anwalt mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauftragt und sich deswegen die Einholung eines Schadengutachtens verzögert. Das hat das Landgericht Saarbrücken mit Urteil vom 7. Juni 2011 entschieden (Az.: 13 S 43/11).
Der Kläger war mit einem von ihm geleasten Pkw am 22.6.2009 unverschuldet in einen Unfall verwickelt worden.
Streit um 34 Tage
Noch am Tag des Unfalls rief er seinen Anwalt an, bei welchem er wenige Tage später einen Termin bekam. Erst nach diesem Termin beauftragte der Kläger einen Sachverständigen mit der Begutachtung des Fahrzeugs. Nachdem das Gutachten vorlag und es zu einer weiteren Besprechung mit dem Anwalt gekommen war, wurde schließlich am 7. Juli der Reparaturauftrag erteilt. Weil ein wichtiges Ersatzteil nicht sofort lieferbar war, zog sich die Reparatur bis zum 4.8.2009 hin.
Der Versicherer des Unfallverursachers war zwar dazu bereit, dem Kläger die Reparaturkosten in Höhe von knapp 5.000 Euro sowie eine Nutzungsausfall-Entschädigung für die vom Sachverständigen festgestellte Reparaturdauer von acht Tagen zu bezahlen. Eine Übernahme der von dem Kläger verlangten Nutzungsausfall-Entschädigung für die Dauer von insgesamt 42 Tagen lehnte er jedoch ab.
Nach Ansicht des Versicherers hatte der Kläger nämlich gegen seine Schadenminderungs-Pflicht gemäß § 254 Absatz 2 BGB verstoßen, indem er das Schadengutachten erst in Auftrag gab, nachdem er mit seinem Anwalt gesprochen hatte. Dadurch sei es zu einer völlig unnötigen Verzögerung des Reparaturbeginns gekommen.
Das sahen die Richter des Saarbrücker Landgerichts anders. Sie gaben der Klage auf Zahlung einer weiteren Nutzungsausfall-Entschädigung für die Dauer von 34 Tagen statt.
Umstände des Einzelfalls
Nach Meinung des Gerichts ist ein Geschädigter im Rahmen seiner Schadenminderungs-Pflicht zwar grundsätzlich dazu verpflichtet, eine Reparatur in angemessener Zeit durchführen zu lassen. Die Angemessenheit hängt jedoch stets von den Umständen des Einzelfalls ab.
So kann einem Geschädigten nicht vorgehalten werden, wenn er zunächst einen Anwalt mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauftragt, bevor er ein Sachverständigen-Gutachten in Auftrag gibt. Damit verbundene Verzögerungen, die sich wie in dem entschiedenen Fall in einem angemessenen und üblichen Rahmen halten, gehen zu Lasten des Schädigers beziehungsweise seines Versicherers.
Das Recht, zunächst einen Anwalt zu beauftragen, gilt umso mehr, wenn wie im Fall des Klägers ein Leasingfahrzeug beschädigt wurde. Denn nur durch Beauftragung eines Anwalts kann ein rechtsunkundiger Leasingnehmer mögliche Auseinandersetzungen mit dem Leasinggeber vermeiden.
Recht auf Abstimmung mit dem Anwalt
Dem Kläger kann auch nicht vorgehalten werden, dass er den Reparaturauftrag nicht unmittelbar nach Erhalt des Gutachtens erteilt hat. „Denn einem Geschädigten ist zuzugestehen, dass er sich zunächst wegen des Ergebnisses der Schadenermittlung mit seinem Anwalt in Verbindung setzt und erst dann eine Entscheidung über den Weg der Schadenbeseitigung trifft“, so das Gericht.
Ob das fehlende Ersatzteil deutlich schneller hätte geliefert werden können, wenn der Reparaturauftrag früher erteilt worden wäre, hielt das Gericht für nicht erwiesen. Die Richter wiesen daher einen entsprechenden Einwand des beklagten Versicherers zurück.
Abzüglich eines bereits gezahlten Nutzungsausfalls in Höhe von 280 Euro wurde dem Kläger eine weitere Entschädigung in Höhe von 1.190 Euro zugesprochen.
Eine Revision wurde nicht zugelassen.
(Quelle VersicherungsJournal 30.08.2011)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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