20.06.2011
Hoffnungen sind nicht versicherbar

Wer unter einer latenten Krankheit leidet, muss eine Reise nach einem behandlungsbedürftigen Ausbruch der Erkrankung sofort stornieren, wenn er eine volle Entschädigung aus einer Reiserücktrittskosten-Versicherung erhalten will. Das geht aus einem gestern veröffentlichten, rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts München vom 1. Juli 2010 hervor (Az.: 281 C 8097/10).
Der Kläger hatte im Januar 2007 eine Reise nach Moskau gebucht. Die Reise sollte im Mai stattfinden.
Epileptischer Anfall
In der letzten Februarwoche erlitt er einen epileptischen Anfall, der einen neuntägigen Krankenhausaufenthalt erforderlich machte. Von den Ärzten wurde er sowohl als arbeits- als auch als reisefähig entlassen.
Der Mann dachte daher nicht daran, die Reise zu stornieren und seine bei der Buchung abgeschlossene Reiserücktrittskosten-Versicherung in Anspruch zu nehmen. Auf diese Idee kam er erst, als er einen Tag vor Reiseantritt erneut einen epileptischen Anfall erlitt.
Der Reiseveranstalter berechnete ihm daraufhin 80 Prozent des Reisepreises als Stornokosten. Diese Kosten verlangte der Kläger von seinem Versicherer erstattet.
Vorwurf grober Fahrlässigkeit
Der Versicherer wollte ihm jedoch nur jenen Betrag auszahlen, der fällig geworden wäre, wenn er die Reise unmittelbar nach seinem Anfall im Februar storniert hätte. Denn schließlich habe er gewusst, dass er an einer Grunderkrankung leide, die jederzeit wieder ausbrechen könne. Es sei daher grob fahrlässig gewesen, seine Teilnahme an der Reise nicht sofort abzusagen.
Dem schloss sich die zuständige Richterin des Münchener Amtsgerichts an. Sie wies die Klage auf Erstattung der von dem Kläger geltend gemachten restlichen Stornokosten in Höhe von rund 1.620 Euro als unbegründet zurück.
Die Tatsache, dass der Kläger nach seinem ersten epileptischen Anfall von den behandelnden Ärzten als arbeits- und reisefähig aus dem Krankenhaus entlassen wurde, ändert nichts daran, dass seine Grunderkrankung fortbesteht. Etwas Gegenteiliges ist ihm nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme von den Ärzten auch nicht bestätigt worden.
Latentes Risiko
Der Kläger hätte daher wissen müssen, dass es zu weiteren Anfällen kommen konnte, deren Zeitpunkt nicht vorhersehbar war. Er hätte die Reise folglich spätestens nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus stornieren müssen.
Eine solche Verpflichtung hätte nach Ansicht des Gerichts nur dann nicht bestanden, wenn mit einer sicher zu erwartenden Genesung hätte gerechnet werden können. Das aber ist bei einer latenten Erkrankung wie einer Epilepsie nicht der Fall.
Die Hoffnung des Klägers, trotz des ersten Anfalls reisen zu können, ist zwar verständlich. Das damit verbundene Risiko muss aber nicht durch die Versicherten-Gemeinschaft getragen werden. „Denn die Hoffnung auf rechtzeitige Genesung ist nicht versicherbar“, so das Gericht.
Blick ins Kleingedruckte
Nicht gelten lassen wollte das Gericht auch den Einwand des Klägers, überhaupt nicht mehr verreisen zu können, wenn man den Argumenten des Versicherers folgen würde. Denn die Vorstellung, dass Risiko jeder Erkrankung, die eine Reise unmöglich macht, einem Reiserücktrittskosten-Versicherer aufbürden zu können, ist falsch.
Es muss sich vielmehr um eine unerwartete schwere Erkrankung handeln und der Versicherte muss sich zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu einer Stornierung entschließen.
Das Gericht wies allerdings darauf hin, dass es durchaus Versicherer gibt, bei welchen das Risiko, dass eine bereits bekannte Krankheit ausbricht, versicherbar ist. Die Richterin empfahl daher einen Blick ins Kleingedruckte.
(Quelle VersicherungsJournal 17.05.2011)

Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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