Macht sich die elektronische Sitzverstellung eines Fahrzeugs während der Fahrt selbstständig, so darf der Besitzer das Auto auch dann an den Verkäufer zurückgeben, wenn ein Sachverständiger die Fehlfunktion weder bestätigen noch verneinen kann. Das hat das Landgericht Coburg mit einem am Freitag veröffentlichten Urteil vom 25. August 2010 entschieden (Az.: 13 O 637/08).
Der Kläger hatte bei dem beklagten Autohaus im Jahr 2007 einen Neuwagen im Wert von über 50.000 Euro erworben. Als Sonderausstattung war der Pkw unter anderem mit einer elektronischen Sitzverstellung für den Fahrersitz ausgerüstet.
Diese konnte so programmiert werden, dass sich der Sitz mit nur einem Knopfdruck für zwei unterschiedlich große Fahrer einstellen ließ. Das war im Fall des Klägers äußerst praktisch. Denn er selbst war 1,80 Meter groß, während seine Frau, welche das Auto gelegentlich ebenfalls fuhr, gerade einmal 1,60 Meter maß.
Kurze Freude
Die Freude an der elektronischen Sitzverstellung währte jedoch nur kurz. Denn schon wenige Wochen nach dem Kauf machte sie sich gelegentlich selbstständig – und zwar ohne Zutun des Fahrers.
Dadurch kam es wiederholt zu brenzligen Situationen. Denn fuhr der Sitz unerwartet auf die Position der Ehefrau des Klägers, wurde dieser kurzfristig hinter dem Steuer eingeklemmt. Saß seine Frau am Steuer konnte es passieren, dass sie sich urplötzlich viel zu weit von Lenkrad und Pedalen entfern wiederfand.
In der Werkstatt des Fahrzeughändlers konnte man die Ursache für die vermeintliche Fehlfunktion nicht klären. Der Händler ging daher von einer Fehlbedienung des Käufers beziehungsweise seiner Frau aus. Deswegen weigerte er sich, dem Verlangen des Klägers nachzugeben, das Fahrzeug gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgeben zu wollen.
Ungeklärte Ursache
Zu Unrecht, befanden die Richter des Coburger Landgerichts. Sie gaben der Klage des Autokäufers auf Wandlung des Kaufvertrages statt.
Im Rahmen der Beweisaufnahme stellte sich heraus, dass es in Gegenwart von zwei Mitarbeitern des Autohauses ebenfalls einmal zu einer Fehlfunktion der Sitzverstellung gekommen war. Ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger konnte im Rahmen eines mehrstündigen Tests hingegen keinen Fehler feststellen. Er hielt die von dem Kläger und seiner Frau behauptete Fehlfunktion jedoch gleichzeitig für möglich und wollte sie nicht in Abrede stellen.
Das Gericht ging daher davon aus, dass es tatsächlich dazu gekommen war, dass sich die Sitzverstellung, wie vom Kläger und seiner Frau behauptet, gelegentlich selbständig gemacht hatte. Das aber stellt nach Meinung der Richter einen erheblichen Mangel dar, der zu einer Rückgabe des Fahrzeugs berechtigt.
Gefährdung der Sicherheit
Denn die Fehlfunktion ist dazu geeignet, in erheblichem Maße die Fahrsicherheit und damit die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs zu beeinflussen. Es kann dem Kläger daher nicht zugemutet werden, das Fahrzeug weiterhin zu fahren.
Bei der Erstattung des Kaufpreises musste er sich jedoch die Zeit der Nutzung des Fahrzeugs anrechnen lassen. Dabei wurde vom Gericht zu Gunsten des Klägers berücksichtigt, dass die Fehlfunktion zu einer erheblichen Nutzungs-Beeinträchtigung geführt hat. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.
(VersicherungsJournal 22.03.2011)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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