11.04.2011
Ein Gläschen in Ehren…

Greift ein Autofahrer nach einem Unfall noch vor Eintreffen der Polizei zur Flasche, um über den ersten Schreck hinwegzukommen, so ist sein Vollkaskoversicherer zumindest nach den Bestimmungen des alten Versicherungsvertrags-Gesetzes in der Regel in vollem Umfang leistungsfrei. Das geht aus einem Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 26. Oktober 2010 hervor (Az.: 6 U 209/09).
Nach einem Bericht der Deutschen Anwaltshotline war der Kläger im Dezember 2005 mit seinem geleasten Pkw gegen eine Lichtzeichenanlage gefahren. Dabei wurden sowohl das Fahrzeug als auch die Ampel erheblich beschädigt.
Falsche Medizin
Nachdem der Kläger mit zwei Zeugen gesprochen und versucht hatte, den Pkw wegzuschieben, griff er zu einer im Fahrzeug befindlichen Weinbrandflasche, aus welcher er etwa 0,2 Liter trank. Der kurz darauf eintreffenden Polizei erklärt er, dass er nicht etwa in alkoholisiertem Zustand Auto gefahren sei. Er habe den Schluck lediglich als „Medizin“ benötigt, um sich ein wenig von dem Unfallschock zu erholen.
Der Vollkaskoversicherer des Klägers nahm den sogenannten „Nachtrunk“ zum Anlass, die Leistungsübernahme zu verweigern mit der Folge, dass der Kläger den nicht unerheblichen Fahrzeugschaden selber bezahlen sollte.
Mit seiner hiergegen gerichteten Klage hatte der Mann keinen Erfolg. Das Berliner Kammergericht machte in seinem Beschluss vom 26. Oktober 2010 deutlich, dass es dem Urteil der Vorinstanz folgen und die Klage als unbegründet zurückweisen werde. Daraufhin zog der Versicherte seine Berufung zurück.
Verletzung der Aufklärungspflicht
Nach Ansicht des Gerichts hat der Kläger durch seinen Nachtrunk vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig seine ihm obliegenden Aufklärungsobliegenheiten gemäß § 7 Absatz 2 der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) verletzt.
Er wäre nach dem Unfall nämlich dazu verpflichtet gewesen, bis zum Eintreffen der Polizei beziehungsweise gegebenenfalls bis zur Entnahme einer Blutprobe darauf zu verzichten, Alkohol zu sich zu nehmen. Denn nur so hätte ein für die Schadenregulierung möglicherweise relevanter Grad der Alkoholisierung zum Zeitpunkt des Unfalls ermittelt werden können.
Da die Richter davon ausgingen, dass der Kläger vorsätzlich handelte, als er nach dem Unfall zur Flasche griff, wäre es seine Sache gewesen zu beweisen, dass ihn ein nur geringer Schuldvorwurf trifft. Diesen Beweis ist er jedoch schuldig geblieben. Seine Klage wurde daher von der Vorinstanz zu Recht als unbegründet zurückgewiesen.

(Quelle VersicherungsJournal 19.01.2011)

Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
juergenzwilling@auc-zwilling.de ursulazwilling@auc-zwilling.de