28.03.2011
Operationen können tödlich verlaufen

Ein Arzt, der einen Patienten nicht ausdrücklich darauf hinweist, dass er bei einer beabsichtigten Operation versterben könnte, ist nur dann zum Schadenersatz verpflichtet, wenn das Sterberisiko immanent ist. Das geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main vom 16. November 2010 hervor (Az.: 8 U 88/10).
Dem Urteil lag die Klage einer Frau zugrunde, deren Mutter ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt werden sollte.
Tod auf dem Operationstisch
Nachweislich eines Gesprächsprotokolls war die Erkrankte von dem Operateur zwar über das Thrombose- und Embolierisiko sowie über das Risiko von Blutungen und Gefäßverletzungen aufgeklärt worden. Über die Gefahr, dass sie die Operation im Extremfall nicht überleben werde, wurde die Patientin hingegen nicht informiert.
Trotz einer durch Sachverständige bestätigten und nachgewiesenen fachgerechten Operation verwirklichte sich jedoch genau dieses Risiko. Bei dem Eingriff wurde die linke Beckenschlagader der Patientin verletzt, was zu einer inneren Blutung und zum Tod noch auf dem Operationstisch führte.
Nachdem Sachverständige festgestellt hatten, dass die Verletzung der Schlagader von dem Operateur unmöglich erkannt werden konnte, wurde das gegen den Arzt eingeleitete Strafverfahren wegen des Verdachts fahrlässiger Tötung eingestellt.
Unzureichende Aufklärung?
Wegen der von ihr aufgewendeten Beerdigungskosten sowie der Kosten der Auflösung des Haushalts ihrer verstorbenen Mutter verklagte deren Tochter den Arzt gleichwohl auf Zahlung von Schadenersatz.
Ihre Forderung begründete sie damit, dass der Arzt ihre Mutter darüber hätte aufklären müssen, dass die Operation möglicherweise tödlich verlaufen könne. Dieser Hinweis sei jedoch nachweislich unterblieben.
Das Gericht wies die Schadenersatzforderung jedoch als unbegründet zurück. Es ließ auch keine Revision des Urteils zu.
Allgemeinwissen
Nach Ansicht der Richter gehört es zum Allgemeinwissen, dass jede größere, unter Narkose durchgeführte Operation mit allgemeinen Gefahren verbunden ist, die im unglücklichsten Fall zu schweren Gesundheitsschäden bis hin zum Tod führen können.
Sofern ein Patient einen Eingriff nicht erkennbar für gänzlich ungefährlich hält, darf ein Arzt daher grundsätzlich voraussetzen, dass er mit allgemeinen Operationsrisiken rechnet, ohne ihn explizit darauf hinweisen zu müssen.
Nachweislich des Gesprächsprotokolls hat der beklagte Operateur die Verstorbene auf das Risiko von Gefäßverletzungen hingewiesen. Anhaltspunkte, dass er das Operationsrisiko gegenüber der Patientin verharmlost hat, liegen nicht vor.
Verkettung unglücklicher Umstände
Das Risiko, dass ein Patient bei einer Hüftoperation verstirbt, beträgt statistisch gesehen gerade einmal 0,3 Prozent. Nach Ansicht des Gerichts liegt es damit dermaßen fern, dass es auf die Entscheidung eines Patienten keinerlei Einfluss hat, sich operieren zu lassen oder nicht. Der Arzt musste die Verstorbene daher nicht auf dieses Risiko hinweisen.
Nach Überzeugung der medizinischen Sachverständigen ist die Mutter der Klägerin Opfer einer Verkettung nicht voraussehbarer unglücklicher Umstände geworden. Dieser Auffassung schloss sich das Gericht an. Die Schadenersatzklage hatte daher keinen Erfolg.
(Quelle VersicheurngsJournal 17.01.2011)

Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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