07.02.2011
Achtung Geisterradler

Kollidiert ein vorfahrtsberechtigter Fahrradfahrer, der einen Radweg in falscher Richtung befährt, mit einem Pkw, der aus einer untergeordneten Straße kommt, so haften beide Beteiligten mit einer Quote von jeweils 50 Prozent für den Schaden des Anderen. Das hat das Oberlandesgericht Celle mit einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 28. April 2010 entschieden (Az.: 14 U 157/09).
Die Klägerin befuhr mit ihrem Fahrrad einen an einer Vorfahrtsstraße befindlichen Radweg, als sie von einem aus einer Seitenstraße kommenden Pkw gerammt wurde, dessen Fahrer nicht auf sie geachtet hatte. Denn obwohl sich auf beiden Seiten der Vorfahrtsstraße ein Radweg befand, hatte sich die Klägerin quasi als Geisterradlerin betätigt, indem sie den Radweg auf der falschen Seite benutzte.
Alleinige Schuld des Autofahrers?
Sie fühlte sich gleichwohl nicht für den Vorfall verantwortlich. Denn schließlich hatte ihr der Autofahrer die Vorfahrt genommen, welche sich unstreitig auf die gesamte Straßenbreite erstreckt. Die Fahrradfahrerin war nach den Feststellungen eines Sachverständigen außerdem nicht – wie von dem Autofahrer behauptet – seitlich in dessen Fahrzeug gefahren. Sie wurde vielmehr von dem Pkw des Beklagten gerammt, als sie sich bereits vor der Kühlerhaube befand.
Mit ihrer Klage auf Ersatz ihres gesamten Schadens hatte die Fahrradfahrerin trotz allem keinen Erfolg. Ihr wurde sowohl vom Landgericht als auch von dem in Berufung angerufenen Celler Oberlandesgericht lediglich eine Quote von 50 Prozent zugesprochen. Die Frau wurde außerdem dazu verurteilt, sich mit der gleichen Quote an dem Schaden des Autofahrers zu beteiligen.
Mit Disziplinlosigkeit rechnen
Befährt ein Fahrradfahrer entgegen der Bestimmungen von § 2 Absatz 4 StVO einen Radweg in falscher Richtung, so hat er seine Geschwindigkeit nach Meinung des Gerichts insbesondere bei Annährung an Einmündungen so einzurichten, dass er sein Fahrrad jederzeit zum Stehen bringen kann.
Hätte sich die Klägerin entsprechend verhalten, so wäre es nach Überzeugung des vom Gericht befragten Sachverständigen nicht zu dem Unfall gekommen. Die Klägerin trifft daher ein erhebliches Mitverschulden an dem Unfall.
Andererseits hat der Beklagte unstreitig die Vorfahrt der Klägerin missachtet. Es entlastet ihn auch nicht, dass die Unfallbeteiligte den Radweg in falscher Richtung befahren hat. Nach Ansicht des Gerichts ist ein Autofahrer nämlich dazu verpflichtet, sich auf die weit verbreitete und allgemein bekannte Disziplinlosigkeit von Radfahrern einzustellen, einen Radweg in falscher Richtung zu befahren.
Der Beklagte hätte daher vor Einfahren in den Bereich des deutlich kenntlich gemachten Radwegs mit einem Blick nach rechts sicherstellen müssen, dass sich von dort kein Fahrradfahrer näherte. Denn hätte er das getan, wäre der Unfall auch für ihn zu vermeiden gewesen.
Umstrittener Tatbestand
Unter Abwägung der beiderseitigen Verschuldensanteile hielt das Gericht eine Schadenteilung für gerechtfertigt. Gründe für die Zulassung einer Revision beim Bundesgerichtshof sah das Gericht nicht.
Die Frage des Mitverschuldens von Fahrradfahrern, die sich als Geisterradler betätigen, ist nicht unumstritten. Wie Urteile des Amtsgerichts Berlin Mitte sowie des Amtsgerichts München zeigen, kommt es bei der Frage der Haftungsquote entscheidend auf die Umstände des Einzelfalls an (VersicherungsJournal 14.12.2007, 17.2.2010).
(Quelle VersicherungsJorunal 06.12.2010)


Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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