06.12.2010
Wildunfall mit Folgen

Wer nach einem Wildunfall einfach in dem Glauben weiterfährt, dass das Wild neben der Straße verendet ist, ist mitverantwortlich für die Folgen eines Unfalls eines später die Unfallstelle passierenden Fahrzeugs, das ebenfalls mit dem Tier kollidiert. Das hat das Landgericht Saarbrücken mit einem kürzlich bekannt gewordenen Urteil vom 9. April 2010 entschieden (Az.: 13 S 219/09).
Die Beklagte war mit ihrem Pkw bei Dunkelheit in einer langgezogenen Linkskurve mit einem auf der Fahrbahn stehenden Reh kollidiert.
Verletzung der Sorgfaltspflicht?
Weil ihr Fahrzeug keine Schäden erlitten hatte und das Reh nicht mehr zu sehen war, nahm die Frau an, dass das Tier neben der Fahrbahn verendet war. Sie setzte daher ihre Fahrt fort.
Kurz darauf passierte die Klägerin mit ihrem Pkw die Unfallstelle. Dabei kollidierte sie mit dem auf der Straße liegenden Reh, das zuvor von der Beklagten angefahren worden war. Die Klägerin hatte allerdings weniger Glück als die Beklagte. Denn an ihrem Fahrzeug entstand ein Schaden von mehr als 2.500 Euro.
Mit dem Argument, dass sich die Beklagte hätte vergewissern müssen, dass das Reh tatsächlich verendet war, bevor sie die Unfallstelle verließ, verklagte sie sie auf Zahlung von Schadenersatz. Damit hatte die Klägerin zumindest teilweise Erfolg.
Erhebliches Mitverschulden
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war nicht mehr aufzuklären, ob das Reh tatsächlich neben der Fahrbahn lag, als die Beklagte die Fahrbahn verließ. Sollte sich das Tier noch auf der Fahrbahn befunden haben, hätte die Beklagte nach Ansicht des Gerichts gegen § 32 StVO verstoßen.
Denn danach ist es verboten, Gegenstände auf der Straße liegen zu lassen, wenn dadurch der Verkehr erschwert oder gefährdet wird. Zu solchen „Gegenständen“ zählt nach Meinung des Gerichts auch angefahrenes Wild.
Selbst wenn sich aber das Reh, nachdem die Beklagte die Unfallstelle verlassen hatte, auf die Straße geschleppt haben und dort verendet sein sollte, trifft die Beklagte nach Ansicht der Richter ein erhebliches Mitverschulden an dem Unfall der Klägerin.
Verstoß gegen Straßenverkehrsordnung
Die Beklage hat nämlich gegen § 1 Absatz 2 StVO verstoßen, wonach sich jeder Verkehrsteilnehmer so zu verhalten hat, dass kein Anderer geschädigt oder gefährdet wird.
Nach Überzeugung des Gerichts ist es nämlich naheliegend, dass sich angefahrenes Wild, solange es nicht verendet ist, auf die Straße schleppt und hier ein gefährliches Hindernis für den nachfolgenden Verkehr darstellt.
Die Beklagte hätte sich folglich vergewissern müssen, ob das nach ihrer Darstellung am Straßenrand liegende Reh tatsächlich verendet war und so keine Gefahr mehr für andere Verkehrsteilnehmer darstellte. Wenn sie sich nicht sicher war, hätte sie auf jeden Fall ein Warndreieck aufstellen müssen, um eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs auszuschließen.
Verstoß gegen Sichtfahrgebot
Die Klägerin trifft allerdings ebenfalls ein erhebliches Mitverschulden an ihrem Unfall. Sie hat nämlich nach Überzeugung der Richter gegen das Sichtfahrgebot des Paragrafen § 3 Absatz 1 Satz 3 StVO verstoßen, wonach ein Verkehrsteilnehmer nur so schnell fahren darf, dass er innerhalb der übersehbaren Strecke jederzeit anhalten kann. Das gilt umso mehr bei Dunkelheit und in Kurven.
Das Mitverschulden der Klägerin bewertete das Gericht mit 50 Prozent, sodass der Versicherer der Beklagten lediglich die Hälfte ihres Schadens zu übernehmen hat. Für die Zulassung einer Revision sahen die Richter keine Veranlassung.
(Quelle VersicherungsJouranl 13.10.2010)

Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
juergenzwilling@auc-zwilling.de ursulazwilling@auc-zwilling.de