02.12.2010
Neues zur Winterreifenpflicht

Der Bundesrat hat am vergangenen Freitag einem vom Bundesverkehrs-Ministerium vorgelegten Entwurf zur Änderung der Straßenverkehrsordnung zugestimmt. Anders als bisher können danach Verstöße gegen die Winterreifenpflicht mit einem Bußgeld sowie einer Eintragung im Verkehrszentralregister geahndet werden. Die Änderung wird mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt wirksam. Damit ist in Kürze zu rechnen.
Deutschlands Autofahrer wurden erstmals Ende 2005 mit einer Winterreifenpflicht konfrontiert. Gemäß § 2 Absatz 3a StVO sind Autofahrer seitdem dazu verpflichtet, die Ausrüstung ihres Fahrzeugs den Witterungsverhältnissen anzupassen und insbesondere eine geeignete Bereifung zu benutzen.
Zu schwammig
Doch diese Formulierung war dem Oberlandesgericht Oldenburg zu schwammig. Mit Beschluss vom 9.7.2010 bescheinigten die Richter dem Gesetzgeber, nicht sorgfältig genug gearbeitet zu haben. Das Gericht sprach daher einen Autofahrer frei, der mit Sommerreifen auf Glatteis ins Rutschen gekommen und in eine Schaufensterscheibe geschliddert war (VersicherungsJournal 20.7.2010).
Das wollte der Gesetzgeber nicht auf sich sitzen lassen. Mit der jetzigen Änderung der Straßenverkehrsordnung hat er unmittelbar nach dem deutschlandweiten Wintereinbruch für mehr Rechtssicherheit gesorgt.
Demnach können Führer von Kraftfahrzeugen, die bei „Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch und Eis- oder Reifglätte“ mit Sommerreifen unterwegs sind, mit einem Bußgeld von 40 Euro bestraft werden. Wird durch eine falsche Bereifung der Verkehr behindert, etwa weil ein Fahrzeug liegen bleibt, erhöht sich das Bußgeld auf 80 Euro. In beiden Fällen wird zusätzlich ein Punkt in der Flensburger Verkehrssünderdatei fällig.
Keine zeitliche Komponente
Die Vorschrift gilt für Pkw, Lkw, Wohnmobile, Busse sowie Motorräder und Motorroller. Auch Fahrzeuge mit Allradantrieb sind von der neuen Vorschrift betroffen. Busse mit mehr als acht Sitzplätzen und Lkw über 3,5 Tonnen Gesamtgewicht müssen jedoch nur an den Antriebsachsen mit Winterreifen ausgestattet werden. Unter anderem für landwirtschaftliche Fahrzeuge gelten Sonderregelungen.
Als Winterreifen werden nur Reifen mit dem M+S- beziehungsweise Schneeflocken-Symbol anerkannt. Dazu zählen auch sogenannte Ganzjahresreifen. Von der Regelung betroffen ist lediglich der fließende Verkehr. Wer sein Fahrzeug bei winterlicher Glätte stehen lässt, kann nicht bestraft werden.
Der Gesetzgeber hat bewusst keine zeitliche Komponente in das Gesetz eingefügt (zum Beispiel Oktober bis Ostern). Ausschlaggebend sind daher allein die Witterungsverhältnisse. Bei entsprechenden Wetterkapriolen darf man daher theoretisch auch im Sommer nur mit Winterreifen fahren.
Eine Frage der Vernunft
Bestraft werden kann ausschließlich der Fahrer. Der Halter eines Fahrzeugs kann nur bestraft werden, falls er gleichzeitig Fahrer ist. Sehr zum Kummer von Fachleuten muss die Mindestprofiltiefe der Winterreifen lediglich 1,6 Millimeter betragen. Das dürfte in manchen Fällen dazu führen, dass ein neuer Sommerreifen einem alten Winterreifen deutlich überlegen ist.
Nach Meinung von Franz Nowakowski, Reifensachverständiger des Dekra, ist es nicht zuletzt auch eine Frage der Vernunft, in der kalten Jahreszeit Winterreifen zu nutzen. Denn bei Temperaturen unter sieben Grad Celsius spielen Winterreifen ihre Vorteile voll aus. Das gilt auch auf durch Laub und Streusalzrückstände verunreinigten Fahrbahnen – so der Experte.
Bringt ein durchschnittlicher Winterreifen ein Fahrzeug bei festgefahrener Schneedecke bei einer Vollbremsung aus 50 km/h bereits nach 35 Metern zum Stehen, beträgt der Bremsweg mit einem Sommerreifen 43 Meter.
Keine alten „Schlappen“ benutzen
Dieses Plus an Sicherheit setzt nach Angaben des Dekra-Fachmanns jedoch eine Mindestprofiltiefe von vier Millimetern voraus. Geringere Profiltiefen verlängern den Bremsweg erheblich. Geachtet werden sollte auch auf einen ausreichenden Luftdruck sowie auf das Alter des Winterreifens. Dieses kann mithilfe der sogenannten „DOT-Kennziffer“, die sich auf der Reifenflanke befindet, ermittelt werden.
Die beiden ersten Ziffern stehen für die Produktwoche, die beiden letzten für das Produktjahr. Die Zahlenkombination 2207 heißt zum Beispiel, dass der Reifen in der 22. Kalenderwoche des Jahres 2007 produziert wurde. Der Dekra rät dringend dazu, Winterreifen, die älter als sechs Jahre sind, auszusortieren, denn sie sind in der Regel nicht mehr sicher genug.
Keine Sanktionen durch die Versicherer
Sanktionen ihres Kfz-Haftpflichtversicherers haben Fahrzeughalter, die gegen die Winterreifenpflicht verstoßen, nicht zu befürchten. Nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. übernimmt der Versicherer den Schaden des Unfallopfers auch dann, wenn der Unfallverursacher mit Sommerreifen unterwegs war und zwar ohne anschließende Regressmöglichkeit.
Auch Vollkaskoversicherer sind nach Angaben des GDV in der Pflicht. Einzige Ausnahme: Der Autofahrer hätte vor Fahrtantritt oder während der Fahrt erkennen müssen, dass Sommerreifen angesichts der Straßenverhältnisse völlig ungeeignet sind. Kommt es deshalb zu einem Unfall, kann die Versicherungsleistung anteilig gekürzt werden – so der GDV.
Nach Meinung des ADAC sind Fälle denkbar, in denen einem an sich unschuldigen Autofahrer ein Mitverschulden an einem Unfall angelastet werden kann und zwar dann, wenn er selber nur mit Sommerreifen unterwegs war. Denn das erhöht gegebenenfalls die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs.
Europäische Lösung
Mit der jetzigen Gesetzesnovelle ist übrigens noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Fachleute rechnen mittelfristig mit einer einheitlichen Lösung für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union.
In Österreich kann zum Beispiel schon jetzt ein Fahrzeug zwangsweise aus dem Verkehr gezogen werden, dass in der Zeit zwischen dem 1. November und 15. April mit Sommerreifen unterwegs ist und zwar unabhängig davon, ob die Straßen glatt sind oder nicht. Im Nachbarland gilt im Übrigen eine Mindestprofiltiefe von vier Millimetern.
Eine gute Übersicht zu der gesetzlichen Neuregelung ist in dieser PDF-Datei nachzulesen, die auf den Internetseiten des ADAC zu finden ist.
(Quelle VersicherungsJouranl 01.12.2010)

Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
juergenzwilling@auc-zwilling.de ursulazwilling@auc-zwilling.de