Bei der Abrechung eines Kaskoschadens auf Basis eines Gutachtens ist der Restwert selbst dann brutto in Ansatz zu bringen, wenn dem Versicherten wegen der Vereinbarung einer Mehrwertsteuerklausel lediglich der Netto-Wiederbeschaffungswert zusteht. Das hat die zweite Zivilkammer des Landgerichts Dortmund mit Urteil vom 22. Oktober 2009 entschieden (Az.: 2 S 22/09).
Der Kläger hatte bei dem beklagten Versicherer für sein Fahrzeug eine Kaskoversicherung abgeschlossen. Das Auto wurde durch Hagel so schwer beschädigt, dass es einen Totalschaden erlitt.
Nach dem Ergebnis des von dem Versicherer in Auftrag gegebenen Gutachtens betrug der Netto-Wiederbeschaffungswert 5.462 Euro. Den Restwert kalkulierte der Sachverständige mit 2.990 Euro brutto.
Die dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Bedingungen sahen vor, dass der Versicherer im Falle eines Schadens die Umsatzsteuer nur dann zu ersetzen hat, wenn sie tatsächlich angefallen ist.
Abrechnung auf Gutachtenbasis
Da der Versicherte den Schaden auf Basis des Gutachtens abrechnen lassen wollte, zahlte ihm sein Versicherer nach Abzug der vertraglich vereinbarten Selbstbeteiligung den Netto-Wiederbeschaffungswert abzüglich des Bruttorestwerts.
Doch damit war der Versicherungsnehmer nicht einverstanden. Er bestritt zwar nicht, dass ihm lediglich der Netto-Wiederbeschaffungswert zusteht. Er war allerdings der Meinung, dass die Mehrwertsteuer auch von dem Restwert abzuziehen sei. Da man sich in dieser Frage nicht einigen konnte, traf man sich vor Gericht wieder.
Endgültige Entscheidung in zweiter Instanz
Dort erlitt der Versicherer in der ersten Instanz eine Niederlage. Das Amtsgericht war der Meinung, dass es auf eine einseitige, durch nichts zu rechtfertigende Bevorteilung des Versicherers hinausläuft, wenn zu seinen Gunsten beim Wiederbeschaffungswert der Netto- und beim Veräußerungserlös der Bruttobetrag in Ansatz gebracht wird.
Dem wollte sich das von dem Versicherer in Berufung angerufene Dortmunder Landgericht nicht anschließen. Es wies die Klage des Versicherten auf Zahlung der einbehaltenen Mehrwertsteuer als unbegründet zurück.
Nach Ansicht des Gerichts wird die Frage, ob bei der Anrechnung des Restwerts der Netto- oder Bruttobetrag in Ansatz zu bringen ist, bereits durch den Wortlaut der Mehrwertsteuerklausel beantwortet.
Eine Frage der Formulierung
Denn danach „ersetzt“ der Versicherer die Umsatzsteuer nur dann, wenn sie tatsächlich angefallen ist. Ersetzt werden kann aber nur das, was der Versicherungsnehmer zuvor erbracht hat, zum Beispiel die Mehrwertsteuer bei einer Reparatur oder Wiederbeschaffung.
Bei einem Restwert, über den der Versicherungsnehmer verfügt oder der ihm zufließt, kann es jedoch schon rein sprachlich nicht zu einem „Ersatz“ der Mehrwertsteuer kommen, so das Gericht.
Sinn der entsprechenden Klausel in den Versicherungs-Bedingungen ist es, dass sich der Versicherungsnehmer erkennbar jenen Betrag anrechnen lassen muss, den er beim Verkauf eines beschädigten Fahrzeugs erzielen kann oder könnte. Das ist aber der Brutto- und nicht der Nettobetrag.
Würde man die Klausel anders auslegen, so würde dem Versicherungsnehmer nach Ansicht der Richter ein Vorteil zufließen, dem keine entsprechende Belastung gegenüber steht. Der Berufung des Versicherers gegen das anderslautende Urteil der Vorinstanz wurde daher in vollem Umfang stattgegeben. Die Richter ließen auch keine Revision gegen ihre Entscheidung zu.
(Quelle VersicherungsJournal 09.06.2010)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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