26.07.2010
Fristlose Kündigung durch Krankenversicherer

Unternimmt ein privat Krankenversicherter während einer Krankschreibung an wenigen Tagen einen unangekündigten Arbeitsversuch, so darf der Versicherer den Vertrag deswegen nicht kündigen.
Das gilt zumindest dann, wenn der Vertrag seit Jahrzehnten störungsfrei verlief und sich der Versicherer selbst unredlich verhalten hat, indem er ohne stichhaltige Anhaltspunkte Detektive auf den Versicherten angesetzt hat – so das Landgericht Dortmund in einer Entscheidung vom 20. November 2009 (Az.: 2 O 71/07).
Längere Arbeitsunfähigkeit
Der 1948 geborene Kläger hatte im Jahr 1975 bei der Beklagten eine Krankheitskosten-Versicherung unter Einschluss eines Krankentagegeldes abgeschlossen. Er war als selbstständiger Inhaber eines Kfz-Reparaturbetriebes tätig und beschäftigte seine Ehefrau und seinen Sohn als Angestellte.
Anfang August 2006 wurde der Kläger wegen Beschwerden am rechten Arm arbeitsunfähig krankgeschrieben. Knapp eine Woche später wurde der Arm operiert. Laut ärztlichem Attest war der Kläger auch danach für längere Zeit arbeitsunfähig.
Sein Krankenversicherer zahlte ihm zwar nach Ablauf einer Karenzzeit das vereinbarte Krankentagegeld. Er zweifelt jedoch daran, dass der Kläger tatsächlich wie behauptet arbeitsunfähig war. Obwohl dem Versicherer dafür keinerlei stichhaltige Anhaltspunkte vorlagen, beauftragte er eine Detektei damit, den Kläger auszukundschaften.
Fristlose Kündigung
Unter dem Vorwand, ihr Fahrzeug reparieren lassen zu wollen, nahmen daraufhin zwei Mitarbeiter der Detektei Kontakt mit dem Kläger auf, der sich genau zu dieser Zeit in seiner Werkstatt aufhielt. Der Kläger nahm den Reparaturauftrag an.
Sein Krankenversicherer fühlte sich dadurch in seinem Verdacht bestätigt, von dem Versicherten betrogen zu werden. Er kündigte daher den gesamten Krankenversicherungs-Vertrag aus wichtigem Grund fristlos. Der Versicherer forderte den Kläger außerdem dazu auf, ihm die Detektivkosten zu erstatten.
In seiner hiergegen gerichteten Klage machte der Versicherte geltend, lediglich deswegen in der Werkstatt anwesend gewesen zu sein, um seine Frau und seinen Sohn zu besuchen. Er gestand im Übrigen ein, noch während der Karenzzeit an drei Tagen kurze Arbeitsversuche unternommen und dabei festgestellt zu haben, noch nicht wieder arbeiten zu können. Die fristlose Kündigung des Vertrages hielt er daher für ebenso ungerechtfertig wie das Verlangen des Versicherers, die Detektivkosten zu zahlen.
Kein wichtiger Grund
Das sahen die Richter des Dortmunder Landgerichts ähnlich. Sie gaben der Klage des Mannes gegen seinen privaten Krankenversicherer statt.
Nach Ansicht des Gerichts hätte der Versicherer den Vertrag nur dann kündigen dürfen, wenn er dafür einen wichtigen Grund gehabt hätte. Ein wichtiger Grund zu einer außerordentlichen Kündigung setzt aber voraus, dass Tatsachen vorliegen, die dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertrages unzumutbar machen.
Insbesondere bei einer privaten Krankenversicherung ist anerkannt, dass wegen ihrer sozialen Funktion ein wichtiger Grund zur Kündigung nur dann vorliegt, wenn ein Versicherter seine eigenen Belange in besonders schwerwiegender Weise denen des Versicherers voranstellt. Davon ist zum Beispiel dann auszugehen, wenn der Versicherte versucht, sich Versicherungsleistungen zu erschleichen – so das Gericht.
Unredliches Verhalten
Macht aber ein Versicherter, der arbeitsunfähig krankgeschrieben ist, in nur geringem Umfang Arbeitsversuche, so stellt das keinen Grund für eine Kündigung des Vertrages aus wichtigem Grund dar, zumal die Versuche in dem zu entscheidenden Fall während der Karenzzeit stattgefunden haben.
Zu berücksichtigen ist auch, dass der Vertrag jahrzehntelang störungsfrei verlief und der Kläger angesichts seines Alters und seiner gesundheitlichen Vorbelastung wohl kaum vergleichbaren Versicherungsschutz zu noch tragbaren Konditionen erlangen kann. Das Gericht hielt die Kündigung daher auch aus diesem Grund für unzulässig.
Hinzu kommt, dass sich der Versicherer nach Ansicht der Richter selber unredlich verhalten hat. Denn er hat das Detektivbüro beauftragt, obwohl ihm keinerlei konkrete Anhaltspunkte für ein unredliches Verhalten des Versicherten vorlagen.
Die Beauftragung der Detektei war folglich auf die Beschaffung eines Kündigungsgrundes gerichtet. Sie ist daher als unlauter anzusehen.
(Quelle VersicherungsJournal 01.06.2010)

Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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