Auch der Abschluss einer Reiserücktrittskosten-Versicherung berechtigt nicht dazu, wegen der Erkrankung eines nahen Angehörigen in letzter Minute die Reise zu stornieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein hohes Alter des Angehörigen eine rasche Genesung nicht erwarten lässt. Andererseits hat der Versicherte das Recht, über die Absage einer lange geplanten Reise wenigstens einen Tag nachzudenken. Das ist der wesentliche Inhalt eines Urteils des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 17. September 2009 (Az.: 12 U 155/09).
Der Kläger hatte für sich und seine Frau eine vierwöchige Trecking-Reise nach Nepal für 6.790 Euro gebucht. Einen Tag vor der Abreise stornierte er sie. Der Grund dafür waren schwere Komplikationen nach einer Lendenwirbel-Operation seines betagten Vaters.
Allerdings hatte diese Operation schon gut fünf Wochen vor dem Abreisetermin stattgefunden. Eine Woche danach musste der Vater wegen massiver Komplikationen – unter anderem einem Herzinfarkt und einer Lungenentzündung mit erheblichem Sauerstoffmangel – auf eine Intensivstation verlegt und dort rund drei Wochen betreut werden.
Zunächst hatte der Versicherte gefordert, dass ihm 100 Prozent des Reisepreises abzüglich der vereinbarten Selbstbeteiligung erstattet werden. Dies wies das Landgericht Heidelberg als erste Instanz zurück.
Modifizierter Zeitpunkt
Der Kläger legte Berufung ein und akzeptierte nun, dass er nicht bis einen Tag vor Reiseantritt hätte warten dürfen. Dies wurde auch vom Oberlandesgericht betont, denn aufgrund der Schwere der Komplikationen und des Alters seines Vaters hätte er damit rechnen müssen, dass er diese Reise kaum antreten kann.
Der Kläger wollte es aber nicht gelten lassen, dass er dies bereits am Tag der Verlegung auf die Intensivstation hätte wissen müssen – zumindest einen Tag Bedenkzeit fand er angemessen. Dies war in diesem Fall aber sehr bedeutsam, denn dadurch konnte die Stornierung erst am 29. Tag vor Reiseantritt bei seinem Reiseveranstalter eingehen, selbst wenn er sie per Telefax geschickt hätte.
Ab dem 29. Tag vor Reiseantritt konnte der Reiseveranstalter ihm aber 40 Prozent des Reisepreises an Stornogebühren berechnen. Bereits vor der Berufungsverhandlung hatte die Versicherung dem Kläger 20 Prozent des Reisepreises abzüglich des Selbstbehalts als Stornobetrag überwiesen. Dies war der Betrag, der nach Ansicht der ersten Instanz angefallen wäre, wenn der Kläger rechtzeitig gekündigt hätte.
Kein Nachweis der Information
Die Versicherung konnte ihre Behauptung, dass die Ärzte dem Kläger bereits vor der Operation von der Reise abgeraten hätten, nicht belegen. Grundsätzlich hätte er nicht davon ausgehen müssen, dass er wegen der Lendenwirbeloperation, die auf einem langjährigen Grundleiden beruhte, die Reise absagen müsse. Erst die nicht zu erwartenden heftigen Komplikationen hätten dies erforderlich gemacht. Dies sei der eigentliche Eintritt des Versicherungsfalls gewesen.
Danach sei er zwar dazu verpflichtet gewesen, unverzüglich zu handeln. Aus Sicht der Richter heißt „unverzüglich“ aber in diesem Fall nicht, dass er überhaupt keine Bedenkzeit bekommt. Es sei ihm zuzugestehen, dass die Erkenntnis der Auswirkungen auf seine in vier Wochen geplante Reise Zeit zum Reifen braucht.
Ein Tag sei ihm dafür als absolute Mindestfrist für seine weiteren Überlegungen zuzubilligen, meinte das Gericht – und damit sei eine Stornierung erst am 29. Tag vor Reiseantritt vertretbar.
(Quelle VersicherungsJournal 13.11.2009)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
juergenzwilling@auc-zwilling.de ursulazwilling@auc-zwilling.de