Im Falle eines Vollkaskoschadens ist ein Versicherungsnehmer nicht dazu verpflichtet, sich auf Restwertangebote von Anbietern einzulassen, die sich in erheblicher Entfernung von seinem Wohnort befinden.
Das hat das Oberlandesgericht Karlsruhe mit Urteil vom 28. August 2009 entschieden (Az.: 12 U 90/09).
Mehrere Unfälle
Der Kläger hatte für sein Fahrzeug bei der Beklagten eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen. Obwohl das Auto innerhalb kurzer Zeit in drei Unfälle verwickelt wurde, war es zumindest nach den ersten beiden Unfällen weiterhin verkehrssicher und fahrbereit.
Der Versicherer hatte nach den beiden ersten Unfällen zeitnah reagiert und einen Sachverständigen mit der Besichtigung des Fahrzeuges beauftragt. Dieser hatte nach dem zweiten Unfall einen wirtschaftlichen Totalschaden festgestellt und dem Kläger einen Händler benannt, der bereit war, das Auto zu kaufen. Dieser befand sich jedoch mehr als 400 Kilometer vom Wohnort des Klägers entfernt.
Nach dem dritten Unfall ließ sich der Versicherer zwei Monate Zeit, das Auto besichtigen zu lassen. Erst einen Tag, nachdem der Kläger die Geduld verloren hatte und einen Vertrag mit einem regionalen Händler über den Verkauf des schwer beschädigten und nicht mehr fahrbereiten Autos geschlossen hatte, meldete sich erneut der Sachverständige des Versicherers.
Zu spät reagiert
In seinem Gutachten gab er an, dass der mehr als 400 Kilometer entfernt befindliche Händler bereit sei, das Auto zu einem Preis von 4.200 Euro zu erwerben. Da der Kläger vor Ort nur 1.000 Euro erzielt hatte, wollte ihn sein Vollkaskoversicherer auf der Differenz sitzen lassen.
In dem sich anschließenden Rechtsstreit trug er vor, dass der Versicherte dazu verpflichtet gewesen sei, vor einem Verkauf seines Fahrzeuges die Weisungen des Versicherers einzuholen.
Dem wollte das OLG Karlsruhe zwar grundsätzlich nicht widersprechen. Es gab der Klage des Versicherten auf Zahlung des Differenzbetrages gleichwohl aus gleich zwei Gründen statt.
Aufgrund der Tatsache, dass der Versicherer dem Kläger nach dem zweiten Unfall innerhalb einer angemessenen Frist ein Restwertangebot übersandt hatte, durfte der Kläger davon ausgehen, dass der Versicherer auch die Meldung des dritten Unfalls von sich aus zum Anlass nehmen würde, ihm relativ kurzfristig ein erneutes Restwertangebot zu überlassen. Da er das versäumt hat, war der Kläger nicht länger dazu verpflichtet, auf ein entsprechendes Angebot zu warten, so das Gericht.
Unzumutbare Entfernung
Weit schwerwiegender wog jedoch die Tatsache, dass sich der von dem Sachverständigen des Versicherers benannte Fahrzeugverwerter in erheblicher Entfernung vom Wohnort des Klägers befand.
Nach Ansicht des Gerichts kann es einem Versicherungsnehmer nämlich nicht zugemutet werden, möglicherweise auf eigene Kosten den Transport eines unstreitig nicht fahrtüchtigen Fahrzeugs über eine weite Strecke zu übernehmen, zumal dazu in dem zu entscheidenden Fall ein spezieller Abschleppwagen erforderlich gewesen wäre.
Den Beweis dafür, dass der potenzielle Käufer das Fahrzeug auf eigene Kosten abgeholt hätte oder der Kläger auf dem regionalen Markt einen günstigeren als den vom ihm ausgehandelten Preis hätte erzielen können, ist der Versicherer schuldig geblieben. Der Klage wurde daher in vollem Umfang stattgegeben.
Die Entscheidung kann im Volltext auf den Internetseiten des Gerichts nachgelesen werden
(Quelle VersicherungsJournal 20.10.2009)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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