Die Aufwendungen eines Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherers für die noch vor Klageandrohung erfolgte Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens zur Klärung des Unfallhergangs können Kosten des Rechtsstreits sein, für die der Unfallbeteiligte aufzukommen hat.
Das hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 5. November 2009 entschieden (Az.: 18 W 359/08).
Keine Regel ohne Ausnahme
Vorprozessuale Kosten, die einem Versicherer dadurch entstehen, dass er nach einem Verkehrsunfall seine Einstandspflicht überprüft, hat er in der Regel selbst zu bezahlen. Damit soll verhindert werden, dass eine Partei ihre allgemeinen Unkosten oder prozessfremde Kosten auf den Gegner abzuwälzen versucht und so einen möglichen Rechtsstreit verteuert.
Doch wie der vom Frankfurter Oberlandesgericht entschiedene Fall zeigt, ist auch diese Regel nicht ohne Ausnahme.
Nach einem Verkehrsunfall hatten sich die Unfallbeteiligten in erhebliche Widersprüche verwickelt. Nach den der Polizei gegenüber gemachten Aussagen musste der Versicherer eines der beiden Beteiligten davon ausgehen, dass der Unfall gestellt war und er offenkundig betrogen werden sollte.
Streit um 4.000 Euro
Der Versicherer beauftragte daher kurz nach dem Unfall einen Privatgutachter, um herauszubekommen, wie sich der Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge tatsächlich ereignet hatte. Dadurch entstanden Kosten in Höhe von knapp 4.000 Euro.
Diese verlangte der Versicherer von dem Unfallgegner erstattet, als er von diesem einige Monate später auf Zahlung von Schadenersatz verklagt wurde. Denn im Rahmen dieses Prozesses wurde der Betrugsverdacht des Versicherers erhärtet.
Doch der Kläger dachte nicht daran, die Forderungen des Versicherers zu erfüllen. Er verwies darauf, dass die Kosten eines Privatgutachtens zur Ermittlung des Unfallgeschehens regelmäßig nur dann erstattungsfähig sind, wenn das Gutachten nach einer Klageandrohung in Auftrag gegeben wird.
Dem stimmten die Richter zwar grundsätzlich zu. Sie hielten die Forderung des Versicherers in dem zu entscheidenden Fall gleichwohl für berechtigt.
Eine Prozessbezogenheit kann nämlich auch dann gegeben sein, wenn ein auf Entschädigung in Anspruch genommener Versicherer noch vor Klageandrohung ein Gutachten einholt, weil er aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte den nahe liegenden Verdacht hegt, dass er Opfer eines Versicherungsbetrugs werden soll – so das Gericht.
Rechtzeitige Beweissicherung
Nach Ansicht der Richter musste der Versicherer zu Recht damit rechnen, dass die Gegenseite im unlauteren Zusammenwirken mit dem Versicherten ihre vermeintlich günstigere Beweisposition ausnutzen werde, um so einen tatsächlich nicht gegebenen Schadenersatzanspruch zu realisieren.
Der Versicherer war daher zur Wahrung seiner eigenen Belange gehalten, den von ihm gehegten Betrugsverdacht durch die Einholung eines Privatgutachtens zu erhärten und damit zugleich vorhandene Beweise zu sichern.
Denn hätte er das Gutachten erst nach Klageerhebung durch die Gegenseite in Auftrag gegeben, hätten die Beweise wegen des großen zeitlichen Abstands zwischen Unfall und Klageeinreichung gegebenenfalls nicht mehr gesichert werden können.
Eine Revision gegen die Entscheidung ließ das Gericht nicht zu.
(Quelle VersicherungsJournal 26.05.2009)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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