Ein Versicherter darf in der Regel darauf vertrauen, dass die Abrechnung seines Kaskoversicherers nach einem Schadenfall richtig ist. Zahlt der Versicherer versehentlich zu viel, so hat der Versicherer keinen Rückzahlungsanspruch.
Das hat das Oberlandesgericht Frankfurt / Main mit einem kürzlich bekannt gewordenen Urteil vom 8. August 2008 entschieden (Az.: 3 U 270/07).
Wiederbeschaffungswert anstatt Reparaturkosten
Der Beklagte hatte im Februar 2006 mit seinem bei dem Kläger vollkaskoversicherten Pkw einen Unfall erlitten.
Der für den Versicherer tätige Sachverständige bezifferte die Reparaturkosten unter Abzug eines Vorteilsausgleichs „neu für alt“ mit 13.714,81 Euro. Als Wiederbeschaffungswert errechnete er 34.050 Euro und als Restwert 13.200 Euro.
Obwohl das Fahrzeug nach dieser Rechnung zweifelsfrei keinen Totalschaden erlitten hatte, überwies der Versicherer dem Versicherten 20.350 Euro. Das entsprach dem Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert und Selbstbeteiligung. Das entsprechende Abrechnungsschreiben stammte vom 28.6.2006.
Ungerechtfertigte Bereicherung
Drei Monate später bemerkte der Versicherer seinen Fehler. Daraufhin übersandte er dem Versicherten ein korrigiertes Abrechnungsschreiben, in dem es lediglich um die Erstattung der Reparaturkosten abzüglich des Vorteilsausgleichs „neu für alt“ sowie der Selbstbeteiligung ging.
Den im Juni überzahlten Betrag in Höhe von mehr als 7.000 Euro forderte er von dem Versicherungsnehmer zurück. Doch dieser dachte gar nicht daran, der Forderung nachzukommen. Denn im Vertrauen auf die ursprüngliche Abrechnung hatte er sein Fahrzeug inzwischen verwerten lassen.
In dem von dem Versicherer angestrengten Rechtsstreit auf Rückzahlung des überzahlten Betrages warf dieser dem Versicherten vor, sich ungerechtfertigt bereichert zu haben.
Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben
Der Versicherte war sich jedoch keiner Schuld bewusst. Vor Gericht trug er vor, dass er von seinem Versicherer bis zu der Abrechnung Ende Juni 2006 nichts gehört hatte. Nach seiner Meinung durfte er zu Recht dem Inhalt des Abrechnungsschreibens vertrauen, zumal die Abrechnung auf Basis der Kalkulation des Sachverständigen des Versicherers erfolgte.
Unter den gegebenen Umständen sei es dem Versicherer daher nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verwehrt, wegen seines eigenen Kalkulationsirrtums eine Rückzahlung zu verlangen.
Zu Recht, meinten die Richter des Frankfurter Oberlandesgerichts. Sie wiesen die Klage des Versicherers als unbegründet zurück.
Unzulässige Rechtsausübung
Nach Auffassung des Gerichts kann es dahin stehen, ob dem Versicherer tatsächlich ein Anspruch gegen den Versicherten aus dem Gesichtspunkt ungerechtfertigter Bereicherung zusteht. Selbst wenn man dieses zu Gunsten des Versicherers annimmt, steht der Geltendmachung eines solchen Anspruchs der Einwand unzulässiger Rechtsausübung gemäß § 242 BGB entgegen.
Denn der Versicherer stellt sich mit seinem Rückforderungsbegehren in Widerspruch zu seiner eigenen Abrechnung, durch die für den Versicherten ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde.
Anders als der Versicherer verfügte der Versicherungsnehmer nicht über die erforderlichen Informationen, aus denen er hätte erkennen können, dass die ursprüngliche Abrechnung falsch war. Aus dem ersten Abrechnungsschreiben ging nämlich nicht die vom Sachverständigen kalkulierte Höhe der Reparaturkosten hervor – so das Gericht.
Vertrauen auf Richtigkeit der Abrechnung
Im Vertrauen auf die Richtigkeit der Abrechnung hat der Versicherte das Fahrzeug verwerten lassen. Ob die Verwertung für ihn mit einem Gewinn oder Verlust endete, spielt nach Ansicht des Gerichts für die Beurteilung des Falls keine Rolle.
Entscheidend ist einzig, ob der Versicherte auf die erste Abrechnung vertrauen durfte. Das aber war nach Überzeugung des Gerichts der Fall. Der Versicherte ist daher nicht dazu verpflichtet, den überzahlten Betrag zurückzuzahlen.
Eine Revision gegen die Entscheidung ließ das Gericht nicht zu.
(VersicherungsJournal 23.04.2009)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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