Wird die Fahrt eines Kraftfahrzeugs wegen eines Motordefektes plötzlich stark verlangsamt, so ist dessen Fahrer dazu verpflichtet, andere Verkehrsteilnehmer durch Betätigung der Hupe, Einschalten der Warnblinkanlage oder durch Bremszeichen zu warnen.
Kommt es wegen einer unterlassenen Warnung zu einem Auffahrunfall, so ist der Vorausfahrende ganz überwiegend für den Unfall verantwortlich, so das Kammergericht Berlin in einem jetzt bekannt gewordenen Beschluss vom 31. Juli 2008 (Az.: 12 U 5/08).
Streikender Motor
Wie der Deutsche Anwaltverein mitteilt, war der Kläger mit seinem Fahrzeug auf der Überholspur einer Autobahn unterwegs, als der Motor des Autos plötzlich streikte. Der Kläger wechselte daher auf die rechte Spur, auf welcher sein Pkw kurz darauf ausrollte.
Der Fahrer des nachfolgenden Fahrzeugs konnte nicht mehr rechtzeitig reagieren und fuhr auf das Auto des Klägers auf.
Nach dem Motto „Wer auffährt hat Schuld“, verlangte dieser von dem Versicherer des Auffahrenden den vollen Ersatz des ihm bei dem Unfall entstandenen Schadens. Doch dem wollte bereits das in der ersten Instanz angerufene Landgericht nicht folgen. Es sprach dem Kläger lediglich ein Drittel seiner Schadenersatzforderung zu.
Auch mit seiner Berufung hatte der Kläger keinen Erfolg. Denn das Kammergericht Berlin schloss sich den Ausführungen der Vorinstanz vollinhaltlich an.
Schall- und Leuchtzeichen
Selbst wenn bei einem Auffahrunfall der Beweis des ersten Anscheins zunächst einmal gegen den Auffahrenden spricht, so ist dieser nach Ansicht des Gerichts nicht in jedem Fall als Alleinschuldiger für die Folgen des Unfalls verantwortlich zu machen. Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an.
Es ist unbestritten, dass der Kläger den Defekt am Motor seines Fahrzeuges bemerkte und deswegen auf die rechte Fahrspur wechselte. Er hätte daher nach Überzeugung der Richter im Sinne von § 1 StVO (Straßenverkehrs-Ordnung) dafür Sorge tragen müssen, dass durch das Fahrmanöver kein anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet wird.
Dazu hätte er gemäß § 16 StVO durch Schall- oder Leuchtzeichen, zum Beispiel durch das Einschalten der Warnblinkanlage oder dem Aufleuchtenlassen der Bremslichter, auf die für andere drohende Gefahr aufmerksam machen müssen.
Kein erkennbarer Grund
Denn insbesondere auf einer Schnellstraße muss niemand damit rechnen, dass die Geschwindigkeit eines vorausfahrenden Fahrzeugs ohne erkennbaren Grund und vor allem ohne Warnzeichen innerhalb kurzer Zeit so erheblich reduziert wird, dass es nahezu zum Stillstand kommt, befand das Gericht.
Das gilt umso mehr, als dass der Kläger den offenkundigen Defekt des Motors wahrgenommen und nur deswegen die Fahrspur gewechselt hatte. Allein daraus ergibt sich nach Ansicht der Richter eine Verpflichtung, andere Verkehrsteilnehmer auf die potentielle Gefahrensituation aufmerksam zu machen.
Erhöhte Betriebsgefahr
Die Richter wogen die beiderseitigen Verschuldensanteile sowie die erhöhte Betriebsgefahr ab, die durch den Defekt des klägerischen Fahrzeugs entstanden war. Auf dieser Basis bestätigten sie die Entscheidung der Vorinstanz.
Der Kläger hat daher den Großteil seines Schadens selber zu bezahlen. Sein Versicherer wird sich darüber hinaus zu zwei Dritteln an dem Schaden des Auffahrenden beteiligen müssen.
Mit diesem Urteil wurde innerhalb kurzer Zeit bereits zum zweiten Mal entschieden, dass der Spruch „Wer auffährt hat Schuld“ nicht in jedem Fall Gültigkeit hat (VersicherungsJournal 3.3.2009).
(Quelle VersicherungsJouranl 19.03.2009)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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