Fährt ein Autofahrer auf ein anderes Fahrzeug auf, welches kurz zuvor aus einer Grundstücksausfahrt gekommen ist, unmittelbar danach aber verkehrsbedingt anhalten muss, so spricht der Beweis des ersten Anscheins gegen ein Verschulden des Auffahrenden.
Das hat das Amtsgericht München mit einem gestern veröffentlichten Urteil vom 25. August 2008 entschieden (Az.: 322 C 14516/08).
Verhängnisvoller Fußgängerüberweg
Ein Freund der Klägerin war mit deren Fahrzeug vom Kundenparkplatz einer Firma aus nach rechts auf eine Hauptstraße eingebogen. Im gleichen Augenblick bog der Beklagte mit seinem Pkw als Linksabbieger aus einer schräg gegenüber der Ausfahrt liegenden Straße ebenfalls in die Hauptstraße ein.
Unmittelbar nachdem das Fahrzeug der Klägerin auf die Straße eingebogen war, musste dessen Fahrer scharf bremsen, weil ein Fußgänger einen wenige Meter von der Grundstücksausfahrt entfernt befindlichen Fußgängerüberweg überqueren wollte.
Der Beklagte konnte auf dieses Bremsmanöver nicht rechtzeitig reagieren und fuhr auf das Fahrzeug der Klägerin auf.
Wer auffährt hat Schuld – oder?
Nach dem Motto: „Wer auffährt, hat Schuld“, verklagte die Klägerin den Autofahrer auf Zahlung von Schadenersatz. Denn schließlich habe sich der Unfall auf der Hauptstraße und nicht etwa im Bereich der Grundstücksausfahrt ereignet. Das Argument des Beklagten, dass ihm der Unfallgegner quasi die Vorfahrt genommen habe, indem er sich mit seinem Fahrzeug unmittelbar vor sein eigenes setzte, sei damit entkräftet.
Doch dem wollte das Münchener Amtsgericht nicht folgen. Es wies die Klage als unbegründet zurück.
Nach Überzeugung des Gerichts ist es unstreitig, dass sich der Unfall in räumlichem und zeitlichem Zusammenhang mit dem Ausfahren des klägerischen Fahrzeugs aus der Grundstücksausfahrt ereignet hat. Denn in dem Augenblick, als der Fahrer nach nur wenigen Metern wegen des Fußgängerüberwegs halten musste, hat er sich im Rechtssinn keineswegs schon in den fließenden Verkehr eingeordnet.
Beweis des ersten Anscheins
Damit aber hat der Fahrer gegen § 10 StVO verstoßen, nach dem er sich beim Ausfahren aus einem Grundstück so zu verhalten hat, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
Kommt es im Bereich einer Ausfahrt oder unmittelbar danach zu einem Unfall, so spricht der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Ausfahrenden – so das Gericht. Obwohl der Beklagte auf das Heck des vorausfahrenden Fahrzeuges aufgefahren ist, muss folglich dessen Fahrer beweisen, dass der Auffahrende und nicht er den Unfall verschuldet hat.
Da er diesen Beweis nicht führen konnte, war die Klage als unbegründet zurückzuweisen. Die Entscheidung ist inzwischen rechtskräftig.
(Quelle VersicheurngsJournal 03.03.2009)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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