09.03.2009
Verwirrendes Ampelsignal

Fährt ein an der Ampel wartender Autofahrer nach einem Hupsignal geradeaus auf die Kreuzung los, obwohl nur die Rechtsabbiegerspur freigegeben wurde, so kann sich sein
Das hat das Landesarbeitsgericht Hessen mit Urteil vom 27. Mai 2008 entschieden (Az.: 12 Sa 1288/07).
Folgenreiche Dienstfahrt
Der Beklagte hatte mit dem Fahrzeug seiner Arbeitgeberin während einer Dienstfahrt einen Unfall verursacht. Das Fahrzeug erlitt dabei Totalschaden.
Der Vollkaskoversicherer regulierte den Schaden zwar anstandslos. Er nahm den Mitarbeiter des Versicherten jedoch in Regress, weil dieser den Unfall angeblich grob fahrlässig verursacht hatte.
Doch mit seiner Regressforderung in Höhe von knapp 6.000 Euro hatte der Versicherer letztlich keinen Erfolg. Sie wurde vom Hessischen Landesarbeitsgericht als unbegründet zurückgewiesen.
Bei Rot losgefahren
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der beklagte Arbeitnehmer wollte eine durch Ampel gesicherte Kreuzung überqueren. Weil die Ampel auf Rot stand, hielt er an der Haltelinie an. Während er darauf wartete, weiterfahren zu dürfen, suchte er im Autoradio nach einem bestimmten Musiksender.
Als hinter ihm gehupt wurde, schaute er auf und nahm wahr, dass die neben ihm wartenden Autos losfuhren. Er fuhr daraufhin ebenfalls los und kollidierte mit einem Fahrzeug des Querverkehrs.
Wie sich herausstellte, befand sich an der Ampel ein zusätzliches Signal für Rechtsabbieger. Doch während die Fahrt für diese bereits freigegeben war, musste der Geradeausverkehr weiterhin warten. Der Beklagte war daher bei Rot losgefahren und in vollem Umfang für den anschließenden Unfall verantwortlich.
Einfache Fahrlässigkeit
Weil Rotlichtverstöße von den Gerichten in der Regel als grob fahrlässig angesehen werden, glaubte sich der Vollkaskoversicherer im Recht, als er den Beschäftigten seines Versicherungsnehmers in Regress nahm.
Den Vorwurf grober Fahrlässigkeit ließ das Gericht jedoch nicht gelten und wies die Regressforderungen als unbegründet zurück.
Das Verhalten des Beklagten, ohne Prüfung der Verkehrssituation loszufahren, nachdem er durch ein Hupen aufgeschreckt wurde, bewertete das Gericht als einfache Fahrlässigkeit. Grobe Fahrlässigkeit setzt nämlich eine schwerwiegende Zuwiderhandlung, wie etwa das Überfahren einer Kreuzung bei Rotlicht als Teilnehmer des rollenden Verkehrs voraus – so das Gericht.
Auch wenn der Beklagte ausschließlich wegen des Hupzeichens losgefahren wäre, ohne wahrzunehmen, dass die rechts neben ihm wartenden Fahrzeuge ebenfalls losfuhren, wäre der Vorwurf grober Fahrlässigkeit nach Ansicht des Gerichts gerechtfertigt gewesen.
Von den Tücken menschlichen Verhaltens
Unter den gegebenen Umständen liegt der Grund für den Unfall jedoch in einer einfachen Fehlwahrnehmung. Dazu heißt es in der Urteilsbegründung wörtlich: „Fast jeder Autofahrer hat eine solche Situation schon einmal erlebt.
Es ist ein Erfahrungswert und eine Eigenart menschlichen Verhaltens, dass in solchen Situationen, obwohl eigentlich angezeigt, nicht besonnen reagiert und vor der nächsten Handlung zunächst in Ruhe die Umgebung und die Situation geprüft werden, sondern dass das Hupen und Anfahren anderer Verkehrsteilnehmer inneren Druck und Unruhe erzeugen – wie beim Ertapptwerden bei einem Fehlverhalten – die eher zu eingeschränkter Wahrnehmungsfähigkeit und überhasteten Reaktionen (Mitzieheffekt) führen.“
Zwar wäre der Beklagte dazu verpflichtet gewesen, sich vor dem Anfahren sorgfältig über die Verkehrsverhältnisse Klarheit zu verschaffen. Als grob fahrlässig ist seine überhastete (Fehl-) Reaktion nach Überzeugung der Richter jedoch nicht zu werten.
Eine Revision gegen die Entscheidung ließ das Gericht nicht zu.

(Quelle VersicherungsJournal 24.102.008)

Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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