Bestreitet ein Teilkasko-Versicherer einen von einem Versicherungsnehmer gemeldeten Wildunfall, so muss er beweisen, dass der Versicherte unwahre Angaben gemacht hat, wenn er auch keine Leistungen aus einer gleichzeitig bestehenden Vollkasko-Versicherung erbringen will.
Das hat das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 20. Februar 2008 entschieden (Az.: 20 U 134/07).
Kollision mit Reh
Der Kläger war mit seinem sowohl teil- als auch vollkaskoversicherten Pkw kurz vor einer Linkskurve von einer schneebedeckten Landstraße abgekommen und mit der rechten Fahrzeugseite gegen einen Baum geprallt. Dabei entstand ein Schaden von mehr als 13.000 Euro. Zum Zeitpunkt des Unfalls war er nach eigenen Angaben nicht schneller als rund 30 km/h gefahren.
In seiner gegenüber dem Versicherer abgegebenen Schilderung des Schadenhergangs gab der Kläger an, unmittelbar vor dem Aufprall auf den Baum mit einem Reh kollidiert zu sein.
Das wurde auch durch zwei Polizeibeamten bestätigt, die in ihrer Unfallaufnahme vermerkten, Haar- und Blutspuren an dem Fahrzeug gefunden zu haben, die auf einen Zusammenprall mit Haarwild schließen lassen würden.
Keine Tierspuren
Das Fahrzeug wurde zwei Tage nach dem Unfall durch einen von dem Versicherer beauftragten Sachverständigen besichtigt. Der Sachverständige besichtigte den Pkw rund eine Woche später erneut, wobei er Flüssigkeits- und Haarproben von der linken Seite des Fahrzeugs nahm.
Ein von dem Kasko-Versicherer in Auftrag gegebenes wildbiologisches Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Proben weder um Tierblut noch um Tierhaare handeln würde.
Der Versicherer wies daher die Forderungen des Klägers auf Leistungen aus seiner Teilkaskoversicherung zurück. Der Versicherte habe nicht beweisen können, dass die Ursache für den Unfall ein ersatzpflichtiger Haarwildschaden war.
Vorsätzlicher Verstoß gegen Aufklärungspflicht?
Aber auch in ihrer Eigenschaft als Vollkasko-Versicherer wollte die Versicherungs-Gesellschaft nicht zahlen. Zur Begründung führte sie an, dass der Versicherungsnehmer falsche Angaben zum Unfallhergang gemacht und so vorsätzlich gegen seine Aufklärungspflicht verstoßen habe.
Dem wollte das von dem Versicherten angerufene Hammer Oberlandesgericht nicht folgen. Es gab seiner Klage gegen den Versicherer statt.
Die Richter waren zwar ebenso wie der Versicherer der Ansicht, dass der Kläger den ihm obliegenden Beweis, dass eine Berührung seines Fahrzeuges mit Haarwild stattgefunden hat, schuldig geblieben ist. Sie hielten den Versicherer jedoch gleichwohl in seiner Eigenschaft als Vollkasko-Versicherer für leistungspflichtig.
Keine Klärung möglich
Denn ist zwischen den Parteien unstreitig, dass sich ein unter die Fahrzeug-Vollversicherung fallender Unfall ereignet hat, und stellt der Versicherer entgegen der Angaben des Versicherungsnehmers in Abrede, dass ein Wildunfall vorliegt, so muss er beweisen, dass der Versicherte vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat – so das Gericht in seiner Urteilsbegründung.
Es war nach Überzeugung des Gerichts nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unmöglich zu klären, ob eine Kollision mit einem Reh stattgefunden hat oder nicht.
Zwar folgt aus dem wildbiologischen Gutachten, dass die genommenen Proben nicht von einem Tier stammen. Die Proben wurden jedoch erst mehr als eine Woche nach dem Unfall genommen. Das Fahrzeug hatte während dieser Zeit im Freien gestanden. Die Richter wollten daher nicht ausschließen, dass es sich bei den Spuren nicht um jene gehandelt hat, welche die erfahrenen Polizeibeamten bei ihrer Unfallaufnahme wahrgenommen hatten.
Nachvollziehbare Unfallschilderung
Ein von dem Kläger beauftragter Sachverständiger kam im Übrigen zu dem Ergebnis, dass die Schilderungen zum Unfallhergang aus technischer Sicht nachvollziehbar sind und man nicht davon ausgehen könne, dass der Kläger mit einer den Witterungsverhältnissen nicht angepasster Geschwindigkeit unterwegs war.
Nach all dem wurde der Klage stattgegeben und der Versicherer dazu verurteilt, die Reparaturkosten des Fahrzeugs in seiner Eigenschaft als Vollkasko-Versicherer zu zahlen.
Eine Revision gegen die Entscheidung ließ das Gericht nicht zu.
Die Entscheidung kann im Volltext auf den Internetseiten des Gerichts nachgelesen werden
(Quelle VersicherungsJournal 24.09.2008)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
juergenzwilling@auc-zwilling.de ursulazwilling@auc-zwilling.de