07.05.2008
Darf man auf einen Rentenbescheid vertrauen?

Liegen einem Rentenbescheid komplizierte Berechnungen zugrunde, so darf ein Versicherter grundsätzlich auf dessen Inhalt vertrauen. Das gilt zumindest dann, solange er wahrheitsgemäße Angaben gemacht hat.
Eine versehentlich zu viel gezahlte Rente kann daher nicht zurückgefordert werden. Der Rentenversicherungs-Träger ist außerdem auch in Zukunft an seinen fehlerhaften Bescheid gebunden, so das Hessische Landessozialgericht in einer gestern veröffentlichten Entscheidung vom 29. Februar 2008 (Az.: L 5 R 195/06).
Verspäteter Bescheid
Nach einer recht komplizierten Berufsbiografie war der Kläger erwerbsunfähig geworden. Die von ihm beantragte Zahlung von Erwerbsunfähigkeits-Rente konnte er erst im Rahmen einer Klage gegen den Rentenversicherungs-Träger durchsetzen.
Der Bescheid, der die monatliche Rente auch für die Vergangenheit festsetzte, erging erst knapp neun Monate später und wurde dem im vorangegangenen Rechtsstreit für den Kläger tätigen Anwalt zugestellt.
Für den Rechtsanwalt war der Fall längst abgeschlossen. Er leitete den Rentenbescheid daher ungeprüft an seinen ehemaligen Mandanten weiter.
Hinweis auf Vertrauensschutz
Bei einer internen Prüfung des gesetzlichen Rentenversicherers stellte sich später heraus, dass dem Kläger versehentlich eine zu hohe Rente zugebilligt wurde. Der Rentenversicherer hob seinen Bescheid daher auf und forderte den bis dahin zu viel gezahlten Betrag zurück.
Der Kläger dachte jedoch nicht daran, der Zahlungsaufforderung zu folgen. Er berief sich auf Vertrauensschutz gemäß § 45 SGB X und zog gegen den Rentenversicherungs-Träger vor Gericht. Dort pochte er gleichzeitig darauf, dass ihm die Rente trotz der falschen Berechnung auch in Zukunft in der Höhe des Erstbescheides zu zahlen sei.
Mit Erfolg. Denn anders, als von dem Beklagten behauptet, hat der Kläger nach Ansicht des Gerichts nicht grob fahrlässig die Rechtswidrigkeit des ersten Rentenbescheides verkannt.
Vergeblicher Hinweis auf Prozessbevollmächtigten
Aufgrund der komplizierten Rentenberechnung war es für ihn unmöglich, die Fehlerhaftigkeit des Bescheides zu erkennen.
Der Rentenversicherer kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Rentenbescheid dem ehemaligen Rechtsvertreter des Klägers überlassen wurde und dieser den Fehler hätte erkennen müssen.
Die Sache war für den Anwalt abgeschlossen. Selbst wenn er den Bescheid überprüft und nicht einfach an seinen Ex-Mandanten weitergeleitet hätte, muss sich dieser das Wissen seines ehemaligen Prozess-Bevollmächtigten nicht zurechnen lassen, so das Gericht.
Eine Revision gegen die Entscheidung ließen die Richter nicht zu.
(Quelle VersicherungsJournal 05.05.2008)

Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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