Unmittelbar neben einem Kindergarten zu wohnen, lässt das Leben auf jeden Fall nicht langweilig werden. Der Humor kann einem aber schnell vergehen, wenn die Kurzen auf dumme Ideen kommen und man obendrein auf dem Schaden sitzen bleibt.
So geschehen in einer am 30. März 2006 vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe ausgefochtenen Streitsache, bei der es um den Ersatz einer beschädigten Pergola ging (Az.: 12 U 298/05).
Kleine Scherze mit faustgroßen Steinen
Nach einem Bericht des Anwalt Suchservice hatte eine Gruppe von drei bis vier Kindern im Alter zwischen vier und fünf Jahren am Zaun ihres Waldkindergartens gespielt.
Wie Kinder nun mal so sind, kamen sie auf die „famose” Idee, faustgroße Steine und Holzstücke über den Zaun zu werfen. Diese landeten prompt auf dem Acrylglas der nachbarschaftlichen Pergola und verursachten mehrere 50 Zentimeter lange Risse.
Die Kindergärtnerinnen befanden sich zu dieser Zeit in einem höher gelegenen Teil des Kindergartengeländes, von wo aus der Bereich nicht einsehbar war, in dem sich die Gruppe der Steine werfenden Kids befand.
Verletzung der Aufsichtspflicht?
Der Besitzer der Pergola forderte von der Gemeinde, als Trägerin des Kindergartens, Schadenersatz. Denn schließlich hätten die Erzieherinnen nicht ausreichend auf die Kinder aufgepasst. Doch vor Gericht erlitt er eine überraschende Niederlage.
Nach Auffassung der Karlsruher Richter würde es nämlich das Maß der gebotenen Aufsicht übersteigen, wenn man die Kindergärtnerinnen dazu verpflichten wollte, die auf der unteren Ebene des Kindergartens spielenden Kinder ununterbrochen im Auge zu behalten.
Freiraum für pädagogische Maßnahmen
Der Umfang der Aufsichtspflicht werde grundsätzlich durch den Charakter und das Alter von Kindern bestimmt. Im zu entscheidenden Fall habe es sich um ihrem Alter entsprechend „normale” Kinder ohne besondere Auffälligkeiten gehandelt.
Daher müsse den Aufsichtspflichtigen ein gewisser Freiraum für vertretbare pädagogische Maßnahmen gelassen werden.
Nur wenn die Kindergärtnerinnen die Steinwürfe bemerkt und trotzdem nichts unternommen hätten, hätte eine Haftungsverpflichtung bestanden. Dafür gäbe es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aber keinerlei Anhaltspunkte.
Merke: Wer neben einem Kindergarten wohnt, braucht nicht nur ein sonniges Gemüt und ein großes Herz, sondern auch einen hohen Zaun.
(Quelle VersicherungsJournal 10.07.2006)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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