11.09.2006
Der Trick mit dem polnischen Führerschein

Auch in einem Europa der offenen Grenzen ist Führerscheintourismus nicht uneingeschränkt möglich. So der Tenor einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 26. Juni 2006 (Az.: 10 L 361/06).
Seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 29.4.2004 (Az.: C-476/01), wonach alle EU-Führerscheine in Deutschland anerkannt werden müssen, sind viele Autofahrer froher Hoffnung, denen die Fahrerlaubnis entzogen wurde.
Sie bilden sich ein, durch den Erwerb eines vielfach deutlich preisgünstigeren Führerscheins in einem EU-Nachbarland den Neuerwerb eines deutschen Führerscheins oder eine angeordnete medizinisch psychologische Untersuchung (MPU) umgehen zu können.
Wiederholungstäterin
Dem hat das Oberverwaltungsgericht Münster jetzt einen Riegel vorgeschoben.
Geklagt hatte eine Frau, der bereits fünfmal wegen Trunkenheit im Straßenverkehr der Führerschein entzogen worden war. Daraufhin erwarb die Klägerin eine polnische Fahrerlaubnis.
Diese wurde ihr von der Stadt Stettin ausgehändigt, obwohl das Kraftfahrtbundesamt den polnischen Behörden mitgeteilt hatte, dass die Frau in Deutschland eine neue Fahrerlaubnis nur nach bestandener MPU erwerben könne.
Als Reaktion darauf sprach ihr die örtlich zuständige Behörde das Recht ab, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Bereich der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen. Daraufhin zog die Frau vor Gericht.
In ihrer Klage berief sie sich auf das eingangs erwähnte Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Doch das konnte die Richter nicht überzeugen.
Sicherheit im Straßenverkehr
Nach Auffassung des Gerichts bestünden nämlich objektive Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch. Der aber sei auch durch das europäische Recht nicht legitimiert.
Zu den Zielen der EU-Richtlinie zur gegenseitigen Anerkennung von Führerscheinen gehöre auch die Sicherheit im Straßenverkehr. Diese könne aber nicht erreicht werden, wenn einer Frau, der bereits mehrmals die Fahrerlaubnis entzogen wurde, ohne die in Deutschland angeordnete MPU ein polnischer Führerschein ausgehändigt werde.
Umgehung europäischer Rechtsvorschriften
Die Tatsache, dass die polnischen Behörden der Klägerin trotz der Mitteilung des Kraftfahrtbundesamtes eine neue Fahrerlaubnis erteilt hätten, deute auf eine eklatant missbräuchliche Umgehung der europäischen Rechtsvorschriften hin.
Die Klägerin muss ihren polnischen Führerschein nun der örtlich zuständigen Behörde vorlegen, damit diese einen Sperrvermerk darauf anbringen kann, dass die Fahrerlaubnis in Deutschland keine Gültigkeit hat.

(Quelle: VersicherungsJournal 04.07.2006)

Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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