Wenn ein Arzt in seiner Freizeit Erste Hilfe leistet, so kommt nicht automatisch ein Behandlungsvertrag zustande. Bei einem Schadenersatzprozess kann der Patient daher auch bei einem offenkundig groben Behandlungsfehler keine so genannte Beweislasterleichterung für sich in Anspruch nehmen.
Das hat nach einer Meldung des Dr. Otto Schmidt-Verlages das Oberlandesgericht München mit Urteil vom 6. April 2006 entschieden (Az.: 1 U 4142/05).
Schwere Fehler
Dem Fall lag der tragische Unfall eines knapp zweijährigen Mädchens zugrunde, welches reglos im Wasser einer überschwemmten Wiese trieb, als es von seiner Mutter gefunden wurde.
Ein zufällig anwesender niedergelassener Arzt, der sich in seiner Freizeit in der Nähe der Wiese aufhielt, hörte die verzweifelten Rufe der Mutter und eilte ihr zu Hilfe. Dabei gab er sich als Arzt zu erkennen.
Wie sich später herausstellte, unterliefen ihm bei seinem Versuch, das Kind zu retten, mehrere schwere Fehler. Als er feststellte, dass das Mädchen nicht mehr atmete und kein Puls mehr zu tasten war, gab er seine Wiederbelebungsversuche auf.
Irreparabler Hinschaden
Die kurz darauf eintreffenden Notärzte konnten das Kind allerdings reanimieren und brachten es ins Krankenhaus. Infolge des Sauerstoffmangels erlitt es einen irreparablen Hirnschaden.
Mit dem Argument, dass bei einem fachgerechten Verhalten des Arztes die schlimmsten Unfallfolgen hätten vermieden werden können, verlangte die Mutter des Kindes für ihre Tochter Schadenersatz.
Als der Arzt beziehungsweise seine Versicherung nicht zahlen wollte, zog die Frau vor Gericht. Dort erlitt sie eine Niederlage.
Keine Umkehr der Beweislast
Die Frage, ob die Schädigung des Mädchens in letzter Konsequenz auf das Fehlverhalten des Arztes zurückzuführen sei, ließe sich letztlich nicht mehr klären, so das Gericht. Es könne nämlich nicht ohne weiteres angenommen werden, dass der Unfall folgenlos geblieben wäre, wenn der Arzt keine Behandlungsfehler begangen hätte. Den Beweis dafür habe aber die Klägerin anzutreten.
Zwar könnten Fälle grober Behandlungsfehler im Arzthaftungsrecht zu einer Umkehr der Beweislast führen. Das gelte allerdings nicht, wenn ein Arzt in seiner Freizeit mit einer Notsituation konfrontiert werde.
Wie jeder beliebige Dritte sei der Beklagte unabhängig von seiner Qualifikation dazu verpflichtet gewesen, Erste Hilfe zu leisten. Allein durch den Hinweis, dass er Arzt sei, sei aber noch kein ärztlicher Behandlungsvertrag mit der Folge einer möglichen Beweislastumkehr zustande gekommen.
Die von der Klägerin gestellten Schadenersatzforderungen wies das Gericht daher zurück.
Tipp: Wer mehr zum Arzthaftungsrecht wissen will, findet auf den Internetseiten der Berliner Rechtsanwältin Dr. Ruth Schultze-Zeu ausgiebige Informationen.
(Quelle VersicherungsJournal 30.06.2006)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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