23.01.2006
Ärzte dürften Atteste nicht verzögern

Ein Arzt ist verpflichtet, ein zum Abschluss einer Lebensversicherung benötigtes Attest zeitnah zu erstellen. Kommt der Vertrag wegen der verspäteten Übersendung der Auskunft nicht zustande, ist der Arzt gegebenenfalls zum Schadenersatz verpflichtet.
Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil vom 22. November 2005 entschieden (Az.: VI ZR 126/04).
Vor Vertragsabschluss verstorben
Geklagt hatte eine Witwe, deren Ehemann zur Absicherung eines Kredites eine Risikolebensversicherung über 400.000 DM abschließen wollte.
Obwohl der Arzt des Verstorbenen bereits im Juli 2001 dazu aufgefordert worden war, dem Lebensversicherer Auskunft über dessen Gesundheitszustand zu erteilen, fertigte dieser trotz zwischenzeitlicher Mahnungen des Versicherers das Attest erst am 20.10.2001 an.
Daraufhin unterbreitete der Lebensversicherer am 31.10. des gleichen Jahres ein Angebot, weil er den Vertrag nur bei Zahlung eines Risikozuschlages annehmen wollte.
Das Angebot kam einen Tag zu spät. Denn am 30.10.2001 verstarb der Ehemann der Klägerin.
Abgabe innerhalb angemessener Frist
Mit ihrer Klage gegen den Arzt auf Schadenersatz hatte die Witwe trotz allem keinen Erfolg. Denn aus rechtlicher Sicht befand sich dieser nicht in Verzug.
Allerdings ist es nach Auffassung der Richter grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass eine Haftungsverpflichtung des Arztes besteht. Das könne zum Beispiel dann der Fall sein, wenn es aufgrund der verzögerten Erstellung eines ärztlichen Zeugnisses nicht zum Abschluss einer Lebensversicherung kommt, weil der Patient inzwischen verstorben ist und die Angehörigen deshalb keine Versicherungsleistungen erhalten.
Ärzte seien grundsätzlich dazu verpflichtet, Atteste und Gutachten innerhalb einer angemessenen Frist abzugeben. Das ergebe sich unter anderem aus der ärztlichen Berufsordnung.
Mahnung von falscher Partei
Der Arzt könne allerdings nur durch eine qualifizierte Mahnung in Verzug gesetzt und somit gegebenenfalls zur Haftung verpflichtet werden.
Im zu entscheidenden Fall habe aber nicht der potenzielle Versicherungsnehmer dem Arzt eine Mahnung geschickt, sondern dessen Lebensversicherer. Um Verzug auslösen zu können, bedürfe es aber grundsätzlich einer Mahnung des Gläubigers des konkreten Anspruchs, also des Antragstellers und nicht etwa des Versicherers.
Schweigepflichtentbindung reicht nicht aus
Die mit Unterzeichnung des Versicherungsantrags erteilte Entbindung von der Schweigepflicht ist nach Meinung des BGH grundsätzlich nicht dazu geeignet, dass ein Versicherer rechtlich verbindliche Mahnungen im Nahmen des Versicherungsnehmers versenden kann.
Dazu der BGH wörtlich: „Allein daraus ergibt sich jedoch noch keine Bevollmächtigung zu einer Mahnung im Namen des Versicherungsnehmers. Denn eine solche Überprüfung dient allein dem Vertragsinteresse der Versicherung und kann im Einzelfall sogar den Interessen des Ermächtigten zuwider laufen.”
Ergo: Nimmt sich ein Arzt für die Erstellung eines Attestes zu lange Zeit, sollte der Versicherer den Antragsteller darum bitten, den Arzt schriftlich zu mahnen. Denkbar ist auch, dass der Antragsteller den Versicherer bevollmächtigt, in seinem Namen Mahnungen an Ärzte verschicken zu dürfen.

(Quelle VersicherungsJournal 06.01.2006)

Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
juergenzwilling@auc-zwilling.de ursulazwilling@auc-zwilling.de