Seit 18 Monaten dürfen in Niedersachsen Jugendliche ab 17 mit ihren Eltern als Begleiter Auto fahren, wenn sie den Führerschein haben. Verkehrsverstöße und selbstverschuldete Unfälle gingen dabei erheblich zurück, sagt Psychologie-Professor Stiensmeier-Pelster von der Universität Gießen.Damit zieht er eine erste positive Bilanz des niedersächsischen Modellversuchs „Begleitetes Fahren ab 17 Jahren”, der noch bis 2007 fortgeführt wird. Mit einer Bescheinigung über die erfolgreich absolvierte Führerscheinprüfung dürfen die jungen Leute gemeinsam mit einem Elternteil ein Auto führen und dabei Fahrpraxis sammeln, bis sie 18 sind. Danach bekommen sie den richtigen Führerschein ausgehändigt. In einem Symposium wurden kürzlich Ergebnisse des Modells vorgestellt.Fahrpraxis vor dem eigentlichen Start„Wir sehen darin den Vorteil”, so Stiensmeier-Pelster, dessen Uni gemeinsam mit dem niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr den Modellversuch startete, „dass die jungen Fahrer mit 18 Jahren, wenn sie dann allein fahren dürfen, viel vorausschauender agieren, Handgriffe automatisiert haben und von riskanten Fahrsituationen nicht mehr in dem Maße überrascht werden wie gleichaltrige Fahrer ohne entsprechende Praxis.” Die bloße Anwesenheit der Eltern bewirke, dass junge Leute zu Beginn vorsichtiger und umsichtiger fahren und sich so den richtigen Fahrstil zu eigen machen.Deutlich weniger Unfälle?Wie der Psychologe betont, sprächen die Zahlen für sich: Die knapp 990 17-jährigen, die ein Jahr lang begleitet fuhren, verursachten in den ersten drei Monaten ihres eigenverantwortlichen Fahrens 15 Unfälle, was etwa 1,6 Prozent entspricht. Eine kleinere, gut 400 junge Fahranfänger umfassende Vergleichsgruppe, die nach Erwerb des Führerscheins sofort ohne Begleitung fuhr, verursachte im gleichen Zeitraum ebenso viele Unfälle. Für Stiensmeier-Pelster ein eindeutiges und abgesichertes Ergebnis.Kein ganz seriöser VergleichDer Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sieht das Ergebnis weniger optimistisch. Wie Pressesprecher Klaus Brandenstein einräumt, will die Versicherungswirtschaft zwar alles unterstützen, was zu weniger Unfällen bei Fahranfängern führt. Aber als sicher kann er das Ergebnis des Versuchs nicht ansehen. „Dazu sind die Vergleichsgruppen zu unterschiedlich”, meint er. „Sowohl was die Größe betrifft als auch – und das vor allem – was den sozialen Hintergrund angeht. In der Gruppe der 17-jährigen in Begleitung sind anteilig deutlich mehr Gymnasiasten und Eltern höherer Bildung als in der Vergleichsgruppe. Da ist ein eindeutiger Vergleich sehr fragwürdig.”Viele Unfälle erst mit 19 oder 20 JahrenAußerdem sei der Versuchszeitraum zu kurz und die Frage, ob dieses Vorgehen ein oder zwei Jahre später eine echte Entlastung bringe, vollkommen offen. „Viele Fahranfänger reißen sich anfangs zusammen und bauen dann mit 19 oder 20 Unfälle”, so Brandenstein. Ob das beim Führerschein mit 17 anders sei, ist unklar.Daraus Rabatte für die Kfz-Versicherung der Eltern abzuleiten, mit deren Autos Fahranfänger häufig fahren, hält er deshalb für verfrüht.Länder können selbst entscheidenFakt ist, dass Fahranfänger bis 23 oder 24 Jahre überdurchschnittlich häufig Unfälle verursachen – etwa vier Mal so viele wie erfahrene Fahrer. Allein im ersten Jahr, so Stiensmeier-Pelster, hat jeder 20. einen Unfall. Die „Vorbereitungszeit” unter Aufsicht eines Erwachsenen hält er deshalb für eine gute Lösung.Bundesweit dürfen die Länder seit Juli 2005 selbst entscheiden, ob sie den Führerschein ab 17 unter der Auflage, nur in Begleitung zu fahren, zulassen. Die Mehrzahl der Länder sieht das positiv und gestattet unter der Voraussetzung das begleitete Fahren, dass der Mitfahrer · mindestens 30 Jahre alt ist, · seit fünf Jahren den Führerschein besitzt, · nicht mehr als drei Punkte in Flensburg hat und · nicht alkoholisiert ist.Nur Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg, Sachsen und Sachsen-Anhalt haben sich derzeit dagegen entschieden.Keine Obliegenheits-Verletzung Wird der Jugendliche ganz ohne oder ohne geeigneten Begleiter erwischt, darf er bis zum 18. Geburtstag nicht mehr fahren und muss ein Aufbau-Seminar besuchen. Verursacht er in der Zeit einen Unfall, kommt die Versicherung des Fahrzeughalters allerdings für den Unfall auf. „Wir haben ein Problem damit, dass das Fahren ohne Begleiter nur als Verletzung einer Auflage betrachtet und mit einem Bußgeld belegt wird, falls es zu einem Unfall kommt”, beschwert sich Brandenstein vom GDV. „Daher hatten wir im Vorfeld der Verordnung gefordert, hier eine Obliegenheitsverletzung festzuschreiben, wodurch die Versicherung die Möglichkeit hat in Regress zu gehen.” Nur wenn nachgewiesen werden könne, dass vor einem Unfall dauerhaft ohne Begleiter gefahren wurde, hätten die Versicherer eine Chance. „Das ist uns zu lax”, so Brandenstein
(Quelle VersicherungsJournal 22.11.2005)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling-
Versicherungsmakler-
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