23.05.2005
Wenn es gekracht hat, ist guter Rat teuer Vielfahrer tragen ein höheres Unfallrisiko - und sollten deshalb ihre Rechte und Ansprüche genau kennen

Manager kennen das: Wer beruflich viel unterwegs ist auf Deutschlands Straßen, hat ein größeres Risiko, unverschuldet in einen Unfall verwickelt zu werden. Und ist es dann passiert, geht der Ärger oft erst richtig los. Denn die Abwicklung eines Unfalls ist kompliziert, für einen Laien kaum noch durchschaubar - und kann auch einem unschuldig Geschädigten eine Stange Geld kosten, wenn er nicht auf der Hut ist.
Dabei haben Geschädigte eine Menge Ansprüche. Für den Ärger gibt es zwar keinen Schadensersatz - aber der Unfallverursacher bzw. seine Versicherung müssen neben den Abschleppkosten eine Pauschale für Porto oder Telefonate zahlen, Mehrkosten müssen konkret nachgewiesen werden. Außerdem trägt der Schädiger auch die An- und Abmeldung des alten bzw. neuen KFZ. Die Kosten für die Finanzierung des neuen Wagens muss er ebenso zahlen wie etwa für beschädigte Kleidung.
Wer bei dem Unfall verletzt ist, sollte umgehend zu einem Arzt gehen und Art und Umfang der Verletzungen feststellen lassen. Dies ist wichtig für die spätere Geltendmachung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen. Wer wegen des Unfalls keinen eigenen fahrbaren Untersatz mehr zur Verfügung hat, etwa weil der Wagen Totalschaden hat oder in der Reparatur ist, der kann Nutzungsausfall verlangen, sofern der Wagen wirklich gebraucht wird.
Der Geschädigte kann sich aber auch einen Mietwagen nehmen. "Doch man sollte unbedingt auf die Preise schauen", rät der auf Verkehrsrecht spezialisierte Anwalt Hans-Jürgen Gebhardt aus Homburg an der Saar. Denn nach einem neueren Urteil des Bundesgerichtshofs darf man sich nicht einfach einen der extrateuren Unfalltarife der Autovermieter andrehen lassen. Dann bleibt man auf den Mehrkosten sitzen. Wer täglich kleinere Strecken von 20 bis 25 Kilometern zurücklegt, der sollte sich deshalb lieber per Taxi oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln bewegen.
Für die Einschätzung des Schadens am Wagen empfiehlt es sich, diesen erst einmal von einer Fachwerkstatt überprüfen zu lassen. Liegt der Schaden über 750 Euro und damit außerhalb einer Bagatelle, ist die Begutachtung des Fahrzeugs von einem unabhängigen und neutralen Sachverständigen sinnvoll. Verkehrsrechtsexperte Gebhardt rät dringend davon ab, den von der gegnerischen Versicherung vorgeschlagenen Sachverständigen zu nehmen. Der sei seiner Erfahrung nach nicht neutral, was sich bei der Schätzung des Schadens oder des Restwertes des Wagens teilweise um bis zu 20 Prozent Differenz zu Lasten des Geschädigten bemerkbar mache. "Der Unfallverursacher muss einen neutralen Experten bezahlen und zwar auch dann, wenn seine Versicherung schon einen eigenen engagiert hat", sagt Gebhardt. Überhaupt rät er zu Vorsicht im Umgang mit der gegnerischen Versicherung. Viele Menschen seien zu vertrauensselig und würden vergessen, dass das Unternehmen die Interessen des Unfallgegners wahrnähme und dementsprechend handle.
Für eine Reparatur gilt: Der Geschädigte kann sich die errechneten Reparaturkosten auszahlen lassen und ist dann frei in seiner Entscheidung: Er kann den Wagen in die Werkstatt schicken, einen Freund oder Verwandten mit der Instandsetzung beauftragen, es selber machen - oder einfach mit den Schrammen herumfahren. Das Fahrzeug kann sogar verkauft werden. Wer es wirklich reparieren lässt, darf Kosten in Höhe bis zu 130 Prozent des Wiederbeschaffungswertes verlangen. Das gilt in der Regel für private wie auch gewerblich genutzte Fahrzeuge. Das Prognoserisiko trägt der Schädiger. Wird die Instandsetzung teurer als ursprünglich berechnet, muss er trotzdem zahlen.
Außerdem hat der Geschädigte Anspruch darauf, sich die Wertminderung seines Wagens bezahlen lassen. Während man früher dafür auf das Alter des Fahrzeugs abstellte - es durfte nicht älter als fünf Jahre sein - ist heute dessen Wert maßgeblich. Das sei jetzt eine Frage des Einzelfalls, sagt Gebhardt. Auch für einen sieben Jahre alten, aber gut gepflegten Ferrari könne man daher unter Umständen den Ersatz der Wertminderung verlangen. "Diesen Anspruch kann man im übrigen sofort nach dem Unfall geltend machen und nicht erst, wenn man das Fahrzeug irgendwann mal weiter verkauft", sagt Gebhardt. Denn der rechtlich erforderliche Hinweis darauf, dass es sich um einen Unfallwagen handelt, setzt den Preis beim Weiterverkauf herab.
Statt der Reparatur ist unter Umständen aber auch die Differenz zwischen einer gleichwertigen Neuanschaffung und dem alten PKW drin. Das ist bei einem Totalschaden im übrigen der übliche Weg. Auch hier schätzt der Sachverständige. Hat man den alten Wagen teurer verkauft als er nach Schätzung wert war, kommt das dem Schädiger nicht zugute. "Daher muss man sich auch nicht auch die oft sehr guten Internetangebote professioneller Aufkäufer aus dem Ausland verweisen lassen", so Gebhardt.
Seit der Änderung des Schadenersatzrechts 2002 wird nur noch die tatsächlich angefallene Mehrwertsteuer bezahlt. Das bedeutet für Unfälle, die nach dem 31. Juli 2002 passiert sind: Wer sein Auto nicht in einer Werkstatt reparieren lässt, bekommt nicht die im Gutachten ausgewiesene Mehrwertsteuer. Dasselbe gilt, wenn man sich ein Ersatzfahrzeug von einem Privatmann kauft, da hier keine Mehrwertsteuer anfällt. Im Sachverständigengutachten sollte man auch darauf achten, ob und für welche Positionen Mehrwertsteuer angegeben ist.
Wen das alles eher abschreckt, der sei hiermit getröstet: Der Geschädigte darf sich nämlich in der Regel auf Kosten des Unfallverursachers Rechtsbeistand nehmen. Am besten ist ein Anwalt aus heimischen Gefilden. Denn der weiß genau, welcher Händler vernünftige Preise hat und welcher Sachverständige wirklich neutral ist.
(Quelle: HANDELSBLATT, 18.5.2005 - BGH VI ZR 74/04)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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