Läuft es nach dem Willen von Justizministerin Brigitte Zypries, wird es in den Justizbehörden an Stelle von Brief und Fax bald nur noch Emails geben. Die Akten können Richter statt in grauen Ordnern oder abgegriffenen Pappheftern künftig als Computerdatei abspeichern. Und Anwälten genügt ein Mausklick, um wenige Sekunden vor Mitternacht einen Termin wahrenden Schriftsatz einzureichen.
Mittel zum Zweck ist das am Freitag vom Bundesrat verabschiedete Justizkommunikationsgesetz, das zum 1. April in Kraft treten soll. Das Gesetz ebnet in rechtlicher Hinsicht den Weg zum umfassenden elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichten und zur Führung von elektronischen Gerichtsakten. In Zukunft sind damit auch elektronisch abgefasste Urteile und so genannte bestimmende Schriftsätze wie Klageschriften in elektronischer Form erlaubt. Damit sichergestellt ist, dass die Dokumente authentisch sind, müssen sie gemäß dem neuen Gesetz mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein. Außerdem enthält das Gesetz Vorschriften über die elektronische Akteneinsicht, über den Beweiswert elektronischer Dokumente und über den Medientransfer, also über die Umwandlung von Papier- in digitale Dokumente.
Das Gesetz ist Teil der Initiative BundOnline2005, deren Ziel es ist, bis 2005 alle internetfähigen Dienstleistungen online bereitzustellen. Diese elektronische Zukunft wird in mehreren Bundes- und Landesgerichten schon im Pilotversuch getestet. Beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) und dem Bundesfinanzhof gibt es das „Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach", das EGVP, an das Schriftsätze in digitaler Form übermittelt werden können. Das Bundessozialgericht strebt die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs zum Jahresende an. Der Bundesgerichtshof testet seit November 2001 den Umgang mit elektronischen Schriftsätzen im Zivilprozess. In einem der Zivilsenate werden die von den Anwälten digital eingereichten Dokumente auch intern elektronisch an die Richter und Justizbediensteten weitergeleitet. Diese erstellen ihre Anordnungen und Verfügungen ebenfalls in elektronischer Form. Im Ergebnis kann der Richter, sobald er sein Urteil geschrieben hat, es mit einer elektronischen Unterschrift versehen und per Mail an die Geschäftsstelle zurückschicken, die es dann in verschlüsselter Form weiter leitet. Während nach bisheriger Rechtslage parallel zur E-Akte eine Papierakte geführt werden musste, reicht künftig die elektronische Akte.
Bis es soweit ist, dürfte aber noch Zeit vergehen, meinen Rechtspraktiker. „In Kürze wird die Email die schriftliche Kommunikation mit den Justizbehörden nicht ersetzen", sagt Klaus Brisch, Rechtsanwalt der Sozietät Graf von Westphalen Bappert & Modest. Insbesondere die elektronischen Archive seien noch nicht hinreichend ausgereift, um Datenverlust und damit Aktenverlust bei den Beteiligten des elektronischen Rechtsverkehrs zu vermeiden, sagt Brisch. Eine Papierakte vergilbt höchstens, eine Datei muss dagegen so abgespeichert werden, dass sie auch in zehn Jahren noch vom jeweiligen Betriebssystem lesbar ist. Uwe Berlit, Richter am BVerwG und zuständig für die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs, zeigt sich jedoch optimistisch, dass in einzelnen Bereichen und mit einzelnen großen Partnern wie Behörden oder Kanzleien die elektronische Zustellung von Beschlüssen, Entscheidungen oder Verfügungen der Gerichte schon bald zunehmen werde. Zudem sei zu erwarten, dass die Flut von Emails zu einer kaum zu bewältigenden Belastung für die Justizbehörden werde, sagt Brisch: Alleine beim Landgericht Köln wären es pro Tag etwa 1 000 Telefaxe, die insgesamt gut 24 000 Telefaxseiten umfassen, die durch Mails ersetzt werden könnten.
(Quelle: HANDELSBLATT, 23.3.2005)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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