27.10.2004
Akutelle Mitteilung: Mehr Transparenz und Rechte für Lebensversicherte bei Überschussbeteiligungen

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts befasst sich heute in mündlicher Verhandlung mit Grundsatzfragen der Stellung der Versicherten im Verhältnis zu Unternehmen der Lebensversicherung. Die Beschwerdeführer, Versicherte einer Kapitallebensversicherung, wollen erreichen, dass ihnen die sogenannten Überschussbeteiligungen auf Dauer zugute kommen. Als Überschussbeteiligung bezeichnet man die von den Versicherern in der Lebensversicherung errechnete, aber nicht garantierte zusätzliche Leistung über die fest vereinbarte Versicherungs- oder Ablaufleistung hinaus. Streitig sind unter anderem die Berechnungsgrundlagen und die Höhe der auszuzahlenden Überschussbeteiligungen, wenn Policenbestände von einem Versicherer an einen anderen übertragen werden. Im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht wird die Bundesregierung durch das feder! führende Bundesministerium der Finanzen vertreten, weil es sich bei den zu entscheidenden Fragen im wesentlichen um versicherungsaufsichtsrechtliche ragen handelt.
Die Bundesregierung hält das geltende Versicherungsrecht für verfassungsgemäß. Auch die Verfassungsbeschwerden wenden sich nicht gegen dieses Recht, sondern in erster Linie gegen seine Anwendung und Auslegung durch die Fachgerichte. Obwohl die Verfahren in Karlsruhe vor allem Fragen des Versicherungsaufsichtsrechts, nicht das Versicherungsvertragsrecht betreffen, bieten sie die Gelegenheit, auf die bevorstehende Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) aufmerksam zu machen. Eine vom Bundesjustizministerium eingesetzte Expertenkommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts hat im Frühjahr Vorschläge unterbreitet.
„Die VVG-Kommission hat im Hinblick auf die Überschussbeteiligung eine Reihe von Verbesserungen für die Versicherungsnehmer vorgeschlagen, die wir in den Gesetzentwurf übernehmen werden, um die Stellung der Versicherungsnehmer zu verbessern. Die Neuregelungen werden zu erheblich mehr Transparenz bei Lebensversicherungsverträgen führen. Bislang gbt es im VVG keine ausdrücklichen Vorschriften über den Anspruch des einzelnen Versicherungsnehmers auf Überschussbeteiligung. Das halte ich rechtspolitisch für unbefriedigend und will es deshalb noch in dieser Legislaturperiode ändern. Zudem prüfen wir derzeit, ob nach den Stellungnahmen von Ressorts, Ländern und beteiligten Kreisen - vor allem der Verbraucherschutzverbände und der Versicherungswirtschaft - ein über die Kommissionsvorschläge hinaus gehender Regelungsbedarf in diesem Bereich besteht. Noch in diesem Jahr werde ich dazu einen Referentenentwurf vorstellen“, sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.
Folgende Neuregelungen sind im Hinblick auf die Überschussbeteiligungen im Rahmen der Novelle des Versicherungsvertragsgesetzes geplant:
1. Bislang sind im Versicherungsvertragsgesetz keine Regelungen enthalten, durch die die Versicherungsunternehmen verpflichtet wären, allgemein oder für bestimmte Verträge eine sog. Überschussbeteiligung einzuräumen. Alle bisherigen usagen beruhen zunächst auf der autonomen Entscheidung des jeweiligen Versicherers, in seinen Verträgen eine derartige Regelung vorzusehen. Künftig wird dem Versicherungsnehmer in der Lebensversicherung grundsätzlich ein Anspruch auf Überschussbeteiligung zustehen, der nur durch eine ausdrückliche Vereinbarung ausgeschlossen werden kann.
2. Zudem soll künftig das Versicherungsunternehmen bei der Überschussbeteiligung auch nach dem Versicherungsvertragsrecht ausdrücklich verpflichtet sein, dem einzelnen Versicherungsnehmer diejenigen Überschüsse zuzuteilen, die durch seine Prämienzahlungen „verursacht“, das heißt durch Anlage der eingezahlten Prämie erwirtschaftet worden sind. Die Verteilungsgrundsätze müssen „angemessen“ sein, unterliegen also insoweit auch der gerichtlichen Kontrolle durch die Zivilgerichte. Die rein rechnerische Ermittlung der Überschüsse soll nach wie vor nach handelsrechtlichen Vorschriften erfolgen.
3. Bei Verträgen mit Überschussbeteiligung hat der Versicherngsnehmer regelmäßig ein großes Interesse daran, schon bei der Vertragsvorbereitung zu erfahren, welche Leistungen er von dem Versicherer über die garantierten Leistungen hinaus erwarten kann. Deshalb geben viele Versicherer den Interessenten in vielen Fällen eine Beispielsrechnung, die bisher ohne gesetzliche Regelung ist und beim Versicherungsnehmer oft zu Missverständnissen oder Irreführungen führt. Künftig werden Versicherer den Versicherungsnehmern immer dann eine Modellrechnung übergeben müssen, wenn sie von sich aus oder auf Nachfrage des Interessenten bezifferte Angaben über die mögliche Auswirkung der Überschussbeteiligung auf die tatsächliche Gesamtleistung machen. Diese Modellrechnung wird auf einheitlichen und vertretbaren Zinssätzen zu erstellen sein. Einzelheiten sollen durch Rechtsverordnung festgelegt werden können.
4. Schließlich sollen Versicherungsunternehmen verpflichtet werden, bei überschussberechtigten Verträgen den Versicherungsnehmer jährlich über die Entwiclung der Versicherungsleistung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Zuteilung aus der Überschussbeteiligung zu unterrichten. Das sieht das geltende Recht zwar schon im Versicherungsaufsichtsgesetz vor; im Interesse des Versicherungsnehmers soll jedoch zusätzlich ein entsprechender vertraglicher Anspruch des Versicherungsnehmers ausdrücklich im Versicherungsvertragsgesetz vorgesehen werden.
Das Gesetzgebungsverfahren soll 2005 durchgeführt werden mit dem Ziel, das neue Versicherungsvertragsgesetz am 1. Januar 2008 in Kraft treten zu lassen.


(Quelle: Herausgegeben vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des
Bundesministeriums der Justiz, Berlin, 27. Oktober 2004)

Jürgen Zwilling
- Versicherungsmakler-
juergenzwilling@auc-zwilling.de