21.06.2004
Kinder, Küche - keine Kohle

Frauen leben im Durchschnitt etwa sechs Jahre länger als Männer. Schön für die Frauen, sollte man meinen. Doch viele Frauen können ihren Lebensabend nicht genießen. Der Grund: Sie sind finanziell nicht ausreichend abgesichert.

Seniorennachmittag in der Pfarrei. Die Stimmung ist ausgelassen, es wird gelacht und getanzt. Was auffällt: Auf dem Parkett sind fast nur Frauen – rüstige Männer im gehobenen Alter sind offenbar knapp. Demographen, die gewohnt sind, in so nüchternen Kategorien zu denken wie „Mortalität“ und „Morbidität“, überrascht das sicher nicht. Sie wissen: In der Sterblichkeit von Frauen und Männern gibt es systematische Unterschiede. So besitzen heute geborene Mädchen eine Lebenserwartung von 80,6 Jahren; heute geborene Jungen werden im Durchschnitt 74,4 Jahre alt. Tendenz: steigend.

Nichts hören, nichts sehen, wenig einzahlen
Doch was tut „Frau“ angesichts der höheren Lebenserwartung? Sie macht sich falsche Hoffnungen – zumindest was die Altersversorgung anbelangt. Zwei Drittel der Frauen rechnen mit deutlich höheren Einkommen im Alter; 21 Prozent der Frauen überschätzen ihre Ansprüche sogar um mehr als die Hälfte. Eine Fehleinschätzung mit fatalen Folgen. Denn 75 Prozent der heute 30- bis 59-jährigen Frauen werden im Alter nicht über ein ausreichendes Einkommen verfügen. Zu diesen ernüchternden Ergebnissen kommt das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) in seiner Studie „Frauen und ihre Altersvorsorge II“. Nach einer ersten Studie von 1999/2000 hat das DIA nun zum zweiten Mal untersucht, wie weit Wunsch und Wirklichkeit in der Alterssicherung von Frauen auseinanderliegen.
Das Fazit: Hart trifft es vor allem Frauen, die ihren Lebensunterhalt allein durch die gesetzliche Rentenversicherung decken müssen, weil andere Einkommensquellen fehlen. Wer als Frau ausschließlich auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung angewiesen ist – und das sind immerhin 23 Prozent der Befragten –, wird den Lebensstandard im Alter nicht halten können. Sie muss mit einer Versorgungslücke von durchschnittlich rund 500 Euro rechnen.
Vor diesem Hintergrund ernüchtert eine zweite Erkenntnis der Studie: Etwa ein Drittel der Frauen gibt an, schlichtweg „keine Lust“ zu haben, sich mit dem Thema Altersvorsorge überhaupt auseinander zusetzen. Und das, obwohl fast acht von zehn Frauen der Meinung sind, dass jede Einzelne mehr Verantwortung für ihre finanzielle Absicherung im Alter übernehmen müsse. Trotzdem: Viele Frauen bleiben tatenlos. Zusätzlich privat vorsorgen will künftig nur ein Sechstel.
Einen Grund für das Desinteresse sieht Finanzexpertin Anne Wulf, Geschäftsführerin der Finanzberatung „das Finanzkontor“ in Berlin, in der Versorgungsmentalität von Frauen: „Getreu dem Motto ‚Vater Staat wird es schon richten‘ herrscht bei vielen Frauen noch immer eine Ich-werde-versorgt-Einstellung. Hinzu kommt, dass es noch gar nicht so lange üblich ist, dass Frauen über eigenes Geld verfügen. Noch in den 50er Jahren ging das Vermögen der Frau bei Eheschließung automatisch auf den Mann über. Die Konsequenz ist, dass Geldangelegenheiten noch immer eher eine Domäne der Männer sind.“
Der Verdrängungsmechanismus, der bei vielen Frauen beim Thema Altersvorsorge einsetzt, macht die Sache nicht leichter. Denn die Zeit des Ruhestands kommt bestimmt. Und er dauert länger, als man sich in jungen Jahren vielleicht auszumalen vermag. Frauen können heute im Alter von 65 Jahren im Durchschnitt mit weiteren 19,1 Lebensjahren rechnen, Männer hingegen nur mit 15,4 Jahren. Grund genug, über die Möglichkeiten der Altersversorgung genauer nachzudenken.

Möglichkeit Nummer 1 – Altersversorgung durch den Märchenprinzen
Doch das Prinzip „Altersvorsorge durch Ehemann“ macht nur wenig Mut, denn:
· Immer weniger trauen sich und lassen sich trauen: So ging die Zahl der Eheschließungen je 1000 Einwohner im Zeitraum 1970 bis 1999 von 7,3 auf 5,5 zurück (Quelle: Statistisches Bundesamt; alle Zahlen beziehen sich auf alle Bundesländer).
· Wer sich traut, traut sich immer später: Das durchschnittliche Heiratsalter lediger Männer betrug 1970 noch 25,6 Jahre; 1999 lag es bei 31,1 Jahren. Bei den Frauen war im gleichen Zeitraum ein Anstieg von 23,0 auf 28,4 Jahre zu beobachten.
· Wer sich getraut hat, bereut es immer häufiger: So stieg die Zahl der Ehescheidungen je 1000 bestehender Ehen zwischen 1970 und 1999 von 5,09 auf 10,40. Interessant dabei: In diesem Zeitraum ist die durchschnittliche Ehedauer bis zur Scheidung gestiegen – von 9,2 auf 12,6 Jahre. Offenbar ist die Zahl „langer Ehen“, die schließlich doch geschieden werden, überproportional stark gestiegen. Fazit: Auf den Märchenprinz ist kein Verlass. Selbst ist die Frau.
Möglichkeit Nummer 2 – die staatliche Rente

Die staatliche Rente ist immer noch die mit Abstand wichtigste Säule der Alterssicherung in Deutschland. Mehr als 90 Prozent der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter haben dort ein Rentenkonto. Künftig wird die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) jedoch nicht mehr annähernd das leisten können, was sie einst versprach – auch nicht für Frauen. Zwar enthält nicht nur die jüngst in Kraft getretene Riesterrentenreform Elemente, die zugunsten von Frauen – zumindest Müttern – umverteilen. Allerdings reichen diese Elemente des Rentenrechts nicht einmal aus, um die Lücken zu schließen, die in der staatlichen Rente aufgrund der weiblichen Erwerbsbiographie bestehen. Allen emanzipatorischen Bemühungen zum Trotz sind es nach wie vor überwiegend Frauen, die die Kindererziehung und die Pflege von Familienangehörigen übernehmen. Und Erwerbstätige, die einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen, sind zum überwiegenden Teil Frauen: 80 Prozent der Teilzeitarbeitsplätze in Deutschland werden von Frauen gehalten, so eine Schätzung des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Teilzeitarbeit heißt aber auch Teilzeitrente. Hinzu kommt, dass Frauen häufiger als Männer notgedrungen niedrig entlohnte Tätigkeiten annehmen. Aber nicht nur in der Höhe des Gehalts, auch in der beruflichen Qualifizierung hinkt Frau hinterher. Im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen nehmen Frauen seltener an innerbetrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen teil. Immerhin: Was das Bildungsniveau betrifft, zeigen die Geschlechterverhältnisse bei Gymnasialabschlüssen und Studienanfängern, dass Mädchen in jüngster Zeit zum Überholen ansetzen. Dennoch sorgt eine Fülle von Faktoren dafür, dass Frauen geringere Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erwerben als Männer.

Möglichkeit Nummer 3 – kapitalgedeckte Altersversorgung

Da weder Ehe noch staatliche Rente ausreichen werden, um den Lebensstandard im Alter aufrechtzuerhalten, ist eine zusätzliche Absicherung über eine kapitalgedeckte Altersversorgung dringend notwendig. Hier brachte die Rentenreform eine deutlich verbesserte Förderung und die so genannte Riesterrente. Mit einem Riestervertrag können so die Einschnitte bei der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeglichen werden. Anders als bei der GRV werden die eingezahlten Beiträge bei der kapitalgedeckten Altersversorgung ertragreich angelegt. Es wird ein Kapitalstock aufgebaut, aus dem im Alter die Leistungen erbracht werden. Möglichkeiten, kapitalgedeckt vorzusorgen, gibt es viele – die Auswahl an Vorsorgeprodukten ist groß. Aber nicht alle sind gleich geeignet: So muss die Riesterrente eine ganze Reihe von Anforderungen erfüllen, damit sie staatlich gefördert wird; die mit Abstand wichtigsten sind der Kapitalerhalt und ein lebenslanges Alterseinkommen.
Was die Riesterrente im Zusammenspiel mit der gesetzlichen Rente für die Frau im Einzelnen bringt, zeigen Modellrechnungen von drei typisch weiblichen Erwerbsbiographien 2 – einer berufstätigen, allein erziehenden Mutter, einer kinderlosen Akademikerin sowie einer Haufrau und „Nur-Mutter“. Mit diesen Rechenbeispielen versucht der GDV, Antworten auf Fragen zu finden wie: Welche Versorgungsleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung haben die Rentnerinnen der Zukunft zu erwarten? Was vermag die neue Riesterrente zu leisten? Und was nicht?
Die Antworten fallen so unterschiedlich aus wie die Lebenswege der drei Frauen:
· Beispiel Anette Arendt, allein erziehende Mutter mit einem Kind, 32 Jahre alt:
Wenn Anette Arendt im Jahr 2035 mit 65 Jahren in Rente geht, wird sie ein Versorgungsniveau aus der gesetzlichen Rentenversicherung von rund 65 Prozent ihres zuletzt verdienten Nettoarbeitsentgelts erreichen. Damit zählt Anette Arendt eher zu den Gewinnerinnen der Rentenreform: Sie kehrt nach der Geburt ihres Sohnes im Jahre 1995 vergleichsweise schnell in ihren Beruf zurück, was bei der gesetzlichen Rente stärker honoriert wird; ihre Rente wird dadurch um rund fünf Prozent erhöht. Die neue kapitalgedeckte Riesterrente kann ihre Versorgung deutlich aufstocken. Sie erhält 198 Euro pro Monat aus ihrem Vertrag (gerechnet in der Kaufkraft von 2002). Damit erreicht Anette Arendt rund 77 Prozent ihres letzten Nettoentgelts – vorausgesetzt sie leistet immer die erforderlichen Mindestbeiträge, um die vollen Zulagen des Staates zu erhalten. Von den gesamten Beiträgen, die in den Vertrag fließen, entfallen rund 16 Prozent auf staatliche Grund- und Kinderzulagen. Darüber hinaus profitiert sie ab dem Jahr 2016 von dem Sonderausgabenabzug. Insgesamt wird ihr Vertrag damit zu fast 30 Prozent gefördert. Unterstellt wurde bei den Berechnungen, dass sie wegen der Geburt ihres Sohnes nur ein Jahr ausgesetzt und danach für fünf Jahre Teilzeit gearbeitet hat. Während ihres Erwerbslebens hat sie immer unterdurchschnittlich verdient.
· Beispiel Sabine Reimann, Akademikerin, 42 Jahre alt:
Sabine Reimann hat nach ihrem Studium im Verlagswesen gearbeitet. Sie ist Single und wird bis zu ihrer Altersrente, die sie mit 63 Jahren im Jahr 2023 bezieht, immer Vollzeit beschäftigt gewesen sein. Als Lektorin für Schulbücher hat sie darüber hinaus überdurchschnittlich verdient. Wegen ihres Studiums, das sie mit 25 Jahren abschließt, fehlen ihr allerdings einige Jahre auf dem Rentenkonto – nur drei Ausbildungsjahre werden ihr anerkannt. Aus der staatlichen Rente erreicht sie deshalb nur eine Versorgung von rund 56 Prozent ihres zuletzt verdienten Nettoarbeitsentgelts. Die neue kapitalgedeckte Riesterrente kann dieses Versorgungsniveau auf rund 63 Prozent aufstocken; sie erhält 178 Euro aus ihrem Vertrag – zu wenig, um den Lebensstandard im Alter zu halten. Für sie beträgt die Förderquote über Zulagen und Sonderausgabenabzug rund 40 Prozent, wobei allerdings nur sieben Prozent auf die Zulagen entfallen. Wegen ihres vergleichsweise hohen Einkommens ist der Sonderausgabenabzug für sie wichtiger.
· Beispiel Elfriede Conrad, Hausfrau und Mutter: Elfriede Conrad verkörpert am ehesten das Klischee der „Nur-Hausfrau“. Mit der Geburt ihres ersten Kindes steigt sie, 29 Jahre alt, aus ihrem Beruf aus. Sie kümmert sich sich um ihre Tochter Ursula, den im Jahr 2002 geborenen Sohn Lutz und den Haushalt der vierköpfigen Familie. Im Jahr 2035, nun 65 Jahre alt, bezieht sie ihre Altersrente; ihr Mann trat bereits drei Jahre zuvor in den Ruhestand. Für Elfriede Conrad war von vornherein klar, dass sie nur zusammen mit der Rente ihres Mannes im Alter leben kann. An eigener GRV-Rente erhält sie im Alter rund 370 Euro (in Kaufkraft des Jahres 2002). Diese ist deshalb niedrig, weil Frau Conrad nur wenige Jahre Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung entrichtet hat. Da ihre Kinder Ursula und Lutz beide nach 1992 geboren sind, profitiert sie aber recht deutlich von der Kindererziehung; ohne Kindererziehung wäre ihre gesetzliche Rente um rund 50 Prozent geringer. Allerdings hätte Elfriede Conrad ohne Kinder ihren Job wohl nicht aufgegeben.
Inwieweit hilft ihr nun die kapitalgedeckte Riesterrente? Frau Conrad erhält aus der Riesterrente monatlich rund 82 Euro (in Kaufkraft des Jahres 2002) – wobei sie nur in den ersten drei Jahren geringe eigene Beiträge leisten musste; der Förderanteil beträgt fast 100 Prozent.
Neuerungen mit zwei Gesichtern

Eine leichte Verbesserung der Situation von Frauen bewirkt die Riesterreform auch durch die „kindbezogene Höherbewertung von Beitragszeiten in der Kinderberücksichtigungszeit“, wie sich bei Anette Arendt zeigte – allerdings nur, weil ihr Sohn nach 1992 geboren wurde und sie nach seiner Geburt schnell in den Beruf zurückgekehrt ist. Und auch das „Rentensplitting“ unter Ehepartnern, für das sich jüngere Ehepaare beziehungsweise neu Vermählte nun entscheiden können, ist nicht immer die erste Wahl. So ist es zum Beispiel entscheidend, welcher von den beiden Partnern länger lebt. Das heißt, von Fall zu Fall kann eine abgeleitete Hinterbliebenenrente günstiger sein als ein „Splitting“ der gemeinsam während der Ehe erworbenen Anwartschaften. Und ist der „Bund fürs Leben“ nur ein „Bund für einen Lebensabschnitt“, findet bereits nach altem Recht ein Versorgungsausgleich statt. Zudem sollte dieser Teil der Reform „aufkommensneutral“ sein; das heißt, das, was er kostet, wird an anderer Stelle eingespart: Die „klassische“ Hinterbliebenenrente der GRV wurde für jüngere Paare beziehungsweise neu Vermählte um fast zehn Prozent gesenkt. Stattdessen wurde eine „Kinderkomponente“ eingeführt. Im Klartext: Nur Mütter können diese Senkung ausgleichen – wenn überhaupt. Überdies wurde der Kreis anrechenbarer Einkommen auf die Hinterbliebenenrente deutlich erweitert. Wer als Frau im Alter beispielsweise Mieteinnahmen oder Zinsen aus Sparguthaben erhält, dem kann unter Umständen künftig die Hinterbliebenenrente gekürzt werden.
Unterm Strich also können die „frauenfreundlichen“ Elemente der Rentenreform längst nicht die Leistungseinschnitte in der staatlichen Rente ausgleichen.

Altersvorsorge braucht Eigeninitiative

Was aber kann Frau daraus lernen? Erstens: Wer im Alter auf nichts verzichten will, kann sich auf die staatliche Rente allein nicht verlassen. Zweitens: Die neue kapitalgedeckte Riesterrente vermag die Versorgung im Alter bei ausreichend langer Vertragslaufzeit für alle betrachteten Frauen zwar deutlich zu verbessern. Den Lebensstandard im Alter zu sichern, gelingt hingegen auch mit der Riesterrente nicht: Anette Arendt und Sabine Reimann hätten immer noch zwischen 23 und 37 Prozent Einbußen im Vergleich zu ihrem letzten Arbeitslohn zu verkraften. Gilt demnach: Alter = Verzicht?
Nicht unbedingt. Lebensqualität und finanzielle Unabhängigkeit im Alter sind möglich – vorausgesetzt, die Altersvorsorge wird nicht der gesetzlichen Rente und der Riesterrente überlassen. Denn drittens gilt: Ein auf den jeweiligen weiblichen Lebensweg abgestimmtes Altersvorsorge-Paket als zusätzlicher Baustein ist dringend erforderlich. Dazu gehört allerdings, dass Frau aktiv wird. Finanzexpertin Anne Wulf rät: „Wichtig ist, sich frühzeitig Gedanken über die finanzielle Lebensplanung zu machen – am besten gemeinsam mit dem Partner beziehungsweise der Partnerin. Dabei sollten sich Frauen auch nicht scheuen, erst einmal mit kleinen Beträgen anzufangen. 50 Euro monatlich über 30 Jahre gezahlt – das bringt eine ganze Menge.“
(Quelle GDV 11.06.2002)

Jürgen Zwilling
- Versicherungsmakler-
juergenzwilling@auc-zwilling.de