Übermorgen ist ein großer Tag für Deutschlands Anwälte: Dann wird der Bundesrat das neue Rechtsanwaltsvergütungsgesetz absegnen und endgültig festzurren. Die Rechtsanwaltsgebühren werden damit zehn Jahre nach der letzten Anhebung nach oben abgepasst. Ab Juli gilt es dann - das neue Vergütungssystem, das Anwälte und Mandanten kennen sollten.
Zukünftig werden darin besonders außergerichtliche Vergleiche finanziell besser honoriert. Zudem dürfen Anwälte ihre Gebühren flexibler als bisher festlegen. Der Streitwert wird nicht länger den bestimmenden Ausschlag für die Gebührenhöhe geben. Geringwertigere Fälle mit viel Schreibarbeit können genauer abgerechnet werden. Umgekehrt gibt es im Vergleich zu den jetzigen Gebühren weniger Geld für einfache Streitigkeiten, auch wenn es dabei um viel Geld geht.
Der ohnehin verfassungswidrige zehnprozentige Gebührenabschlag für ostdeutsche Kanzleien entfällt mit Inkrafttreten der Regeln ab dem 1. Juli. Ganz aus dem Gebührensystem wird ab 2006 die außergerichtliche Beratung ausgeklammert. Wer Verträge aushandelt oder seine Mandanten sonst nicht streitbezogen berät, muss dafür zukünftig sein Honorar individuell mit dem Mandanten aushandeln.
Neues System: Zusammen mit der seit langen Jahren herbeigesehnten Anhebung der Gebühren kommt ein genereller Systemwechsel auf die Anwälte zu. Der Gesetzgeber nimmt bei den Honoraren viele Änderungen vor, an die sich Rechtsanwälte und Mandanten erst gewöhnen müssen und der manchem nicht leicht fallen wird. Nachdem die Gebühren über eine Dekade stabil geblieben waren und sich inflationsbedingt immer weiter entwerteten, werden sie jetzt auf einen Schlag um durchschnittlich 14 % steigen.
Neue Gebühren: Gänzlich neu ist aber die Methode, nach der diese Gebühren berechnet werden. Jetzt wie früher orientiert sich die Vergütung zuerst am Streitwert. Zunächst erhebt der Rechtsanwalt für seine Tätigkeit eine Geschäftsgebühr, die jedoch je nach Schwere des Falles zwischen einem Faktor von 0,5 - 2,5 des Gebührensatzes liegt. Den Mittelwert für einen durchschnittlich schweren Fall setzt der Gesetzgeber bei 1,3 an. Nur für deutlich schwerere Fälle darf der Anwalt einen höheren Satz wählen. Ist in dem Fall der Gang vor Gericht unvermeidlich geworden, erhält er dort eine Verfahrens- und eine Terminsgebühr. Verfahrensgebühr und Geschäftsgebühr werden miteinander verrechnet. In der Terminsgebühr gehen sowohl die frühere Prozess- als auch die Erörterungsgebühr auf. Sie hat den Faktor 1,2. Ganz wegfallen wird indessen die gerichtliche Beweisgebühr. Unter dem Strich erhält der Anwalt damit immer mindestens 2,5 Gebühren.
Außergerichtliche Einigung: Macht die fehlende Beweisgebühr den Gerichtsstreit für manchen Standesvertreter bereits unattraktiv, will der Gesetzgeber mit der bewussten Gebührenerhöhung bei der außergerichtlichen Einigung die jetzt schon von Anwälten im Vorfeld von Rechtsstreitigkeiten erreichte hohe Erledigungsquote weiter anheben. Statt der früheren Vergleichsgebühr führt das Gesetz eine gleich hohe Einigungsgebühr ein. Von ihr darf großzügig Gebrauch gemacht werden, weil sie selbst dann anfällt, wenn ein Streit einmal nicht streng im gegenseitigen Nachgeben gelöst wird.
Das Gesetz setzt damit den Trend aus der ZPO-Reform von 2002 fort, die Schlichtung immer weiter zu stärken. Davon soll gerade die immer noch nicht fest am Beratungsmarkt etablierte Mediation profitieren. Anwälte, die als Mediatoren tätig sind, können für ihre Tätigkeit künftig ebenfalls normale Gebühren berechnen.
Außergerichtliche Beratung: Völliges Neuland betritt der Gesetzgeber, in dem er die außergerichtliche Beratung freigibt. Hier eröffnet sich viel Spielraum für Verhandlungen zwischen Anwälten und Mandanten. Zwar war es zunehmend üblich geworden, Honorare individuell auszuhandeln. Solche Forderungen konnten aber fast nur größere Kanzleien stellen. Selbst sie benutzten aber die alte Gebührenordnung (BRAGO) gern als Richtschnur in den Verhandlungen mit ihren Mandanten. Ohne diese Orientierung wird es einige Zeit dauern, bis sich in diesem Feld neue Preise herausgebildet haben.
Teurere Erstberatung: Die Gebühr für das erste Informationsgespräch beim Anwalt bleibt niedrig und wird nur leicht erhöht. Dafür dürfen künftig nur noch echte Verbraucher von der ermäßigten Gebühr profitieren. Wer gewerblich Rechtsrat beansprucht, soll die normalen Tarife zahlen. Auf kräftige Zugewinne dürfen sich die Strafverteidiger freuen. Sie erhielten in der Vergangenheit meist deutlich weniger Geld als ihre Kollegen im Zivilrecht. Jetzt kommt auf sie eine bis zu 30 prozentige Gebührenerhöhung zu, die vor allem von den Verurteilten selbst zu tragen sein wird.
Gerichtsgebühren und Scheidungskosten: Das sind bei weitem nicht alle Änderungen im Kostenrecht. In seinem Reformeifer hat der Gesetzgeber gleich noch die Gerichtsgebühren und die Zeugen- und Sachverständigenentschädigung mitgeregelt, im „Kostenrechtsmodernisierungsgesetz°. Zudem werden die bisher extra geregelten Kosten für das arbeitsgerichtliche Verfahren in das Gerichtskostengesetz überführt. Ein weiteres Nebenprodukt des Gesetzes, der Lebenswirklichkeit geschuldet: Einvernehmliche Scheidungen werden etwas billiger.
(Quelle: Specials Recht und Steuern HANDELSBLATT, Mittwoch, 10. März 2004)
Jürgen Zwilling
- Versicherungsmakler-
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