27.10.2025
Strittiger Parkplatzunfall: Riskanter Abbieger trifft auf „Raser“

Das Landgericht Darmstadt stellte in einem Urteil klar: Auf Parkplätzen gelten eine besonders hohe Rücksichtspflicht und eine Schrittgeschwindigkeit. Bei den meisten Parkplatzunfällen führt das dazu, dass jeder Unfallbeteiligte eine Mitschuld trägt. Die Hauptschuld liegt in der Regel bei demjenigen, der durch ein riskantes Fahrmanöver – etwa ein plötzliches Abbiegen – den Unfall verursacht hat. Doch auch demjenigen, der die Schrittgeschwindigkeit nicht eingehalten hat, wird eine Teilschuld zugesprochen.
Auf einem öffentlichen Parkplatz kam es zwischen einem Mercedes und einem Opel zu einem Unfall. Die Unfallbeteiligten schilderten den Unfallhergang unterschiedlich. Ein Mann gab an, dass er mit seinem Mercedes die Fahrbahn entlangfuhr, als eine entgegenkommende Autofahrerin mit ihrem Opel plötzlich links in eine freie Parklücke abbiegen wollte und ihn dabei touchierte. Trotz einer sofortigen Bremsung habe er eine Kollision nicht mehr vermeiden können.
Der Halter des Mercedes vertrat daher die Auffassung, dass die Frau die Hauptschuld am Unfall trifft. Die Frau schilderte den Ablauf jedoch anders und verortete die alleinige Schuld bei ihrem Kontrahenten.
Laut ihrer Schilderung sei es zum Unfall gekommen, weil der Fahrer des hinter ihr fahrenden Mercedes sie überholen wollte und sie dabei, nachdem sie ordnungsgemäß geblinkt und zum Abbiegen angesetzt hatte, hinten rechts touchiert habe.
Vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit auf Parkplätzen
Das Landgericht (LG) Darmstadt entschied letztendlich den Fall, nachdem der Mercedes-Halter auf Schadenersatz gegen die Opel-Fahrerin und deren Kfz-Haftpflichtversicherer geklagt hatte.
Im Urteil (10 O 29/22) vom 17. Dezember 2024 wird unter anderem betont, dass auf öffentlichen Parkplätzen die Regeln der Straßenverkehrsordnung gelten – wie auch § 1 Absatz 2 StVO, der bestimmt, dass Verkehrsteilnehmer sich so verhalten müssen, dass niemand geschädigt oder gefährdet wird.
Anders als auf regulären Straßen gibt es laut dem Landgericht jedoch auf Parkplätzen „ständig zu erwartende Ein- und Ausparkvorgänge“. Daher unterliegt jeder Kfz-Fahrer hier einer besonders hohen Sorgfalts- und Rücksichtspflicht.
„Deshalb muss ein Fahrzeugführer angesichts der ständig wechselnden Verkehrssituationen auf einem Parkplatz bei stetiger Bremsbereitschaft mit Schrittgeschwindigkeit – also in einer Größenordnung von maximal 10 km/h – fahren“, wie dem Urteil zu entnehmen ist.
Jeder Beteiligte zumindest mitschuldig
Wer sich also auf einem Parkplatz bewegt, muss stets bremsbereit sein. Weiter steht im Urteilstext: „Ergebnis der besonderen Rücksichtspflicht ist, dass bei Unfällen auf Parkplatzgelände zumeist kein alleiniges Verschulden eines Verkehrsteilnehmers beziehungsweise keine völlige Verdrängung der Betriebsgefahr gegeben ist.“
Das bedeutet, weil auf Parkplätzen eine besonders hohe Rücksicht und Vorsicht von allen Fahrern verlangt wird, trägt bei einem Unfall dort sehr selten nur einer allein die volle Schuld. Vielmehr ist in den meisten Fällen jeder Beteiligte zumindest mitschuldig und muss entsprechend anteilig haften.
Was mehr wiegt: Fehler beim Abbiegen oder überhöhte Geschwindigkeit
Ein vom Gericht bestellter, unabhängiger Sachverständigengutachter kam im zu entscheidenden Fall anhand der Schäden und Zeugenaussagen zu dem Schluss, dass der vom Kläger geschilderte Unfallhergang zutreffend war.
Der Unfall ereignete sich, weil der Opel quer über die Fahrgasse nach links abbog, während der Mercedes ordnungsgemäß aus der Gegenrichtung kam. Die Opel-Fahrerin hat laut LG damit gegen § 9 Absatz 3 StVO verstoßen. Darin heißt es unter anderem: „Wer abbiegen will, muss entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen.“
Allerdings hatte der Mercedes-Fahrer eingeräumt, mit einer Geschwindigkeit von circa 15 bis 20 Stundenkilometern gefahren zu sein. Laut LG hat er damit gegen die besondere Rücksichtspflicht auf Parkplätzen verstoßen und erhält somit eine Teilschuld von einem Drittel. Die Hauptschuld trägt jedoch die Abbiegende – sie muss daher zwei Drittel des Unfallschadens übernehmen.
Besonderheiten auf öffentlichen Parkplätzen
Auf öffentlichen Parkplätzen gelten die grundlegenden Regeln der StVO, wie dem Urteil zu entnehmen ist. Laut gängiger Rechtsprechung greifen jedoch bestimmte Vorschriften wie die Vorfahrtsregeln nach § 8 StVO auf einem Parkplatz nur, wenn die Fahrwege dort eindeutig einen Straßencharakter haben und von den Parkflächen deutlich abgetrennt sind (VersicherungsJournal 13.01.2023).
Zudem gelten auf öffentlichen Parkplätzen besonders strenge Sorgfaltspflichten für alle Verkehrsteilnehmer. Wer zum Beispiel auf einem Parkplatz nicht Schrittgeschwindigkeit fährt – sofern nichts anderes durch ein Verkehrsschild geregelt ist – und nicht stets bremsbereit ist, muss mit einer anteiligen Mitschuld rechnen.
Die Haftung bei Parkplatzunfällen wird daher meist zwischen den Beteiligten geteilt, wobei das überwiegende Verschulden in der Regel den Fahrer trifft, der durch ein riskantes Fahrmanöver – wie einen plötzlich durchgeführten Abbiegevorgang – den Unfall ausgelöst hat.
(Quelle VersicherungsJournal (01.08.2025)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler*in – Künstler*in
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