Eine schwangere Risikopatientin darf nur in Kliniken mit neonatologischer Intensivstation und entsprechendem Fachpersonal behandelt werden, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt. Ein Arzt wurde zu einem hohen Schmerzensgeld verurteilt, nachdem ein Kind schwere Geburtsschäden erlitt.
Im verhandelten Rechtsstreit klagte das Kind, vertreten durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin, auf Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen schwerer Geburtsschäden, die durch vermeintliche Behandlungsfehler verursacht worden sein sollen.
Risikoschwangerschaft mit eineiigen Zwillingen
Die Mutter wurde mit 37 Jahren mit eineiigen Zwillingen erstmals schwanger. Aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen handelte es sich um eine Risikoschwangerschaft. Über mehrere Wochen hinweg wurde sie stationär in einer Klinik betreut. Über eine Neugeborenenstation verfügte das Krankenhaus nicht.
Während der Schwangerschaft wurde festgestellt, dass sich ein typisches Risiko der Schwangerschaft realisiert hatte. Einer der beiden Föten war im Mutterleib verstorben. Daraufhin musste das andere Kind mit einem Notkaiserschnitt frühzeitig zur Welt gebracht werden. Es wurde mit schwersten Hirnschäden entbunden.
Berufung gegen Urteil des Landgerichtes hat keinen Erfolg
Bereits das Landgericht Frankfurt am Main hatte mit Urteil vom 18. Januar 2021 schwerste Behandlungsfehler des behandelnden Arztes festgestellt und dem Kind ein Schmerzensgeld in Höhe von 720.000 Euro zugesprochen (2-04 O 19/11). Dabei konnte sich der Kläger, vertreten durch seine Mutter, auf ein gynäkologisches Sachverständigengutachten berufen.
Gegen dieses Urteil legte der Arzt Berufung ein – jedoch ohne Erfolg. Wie das Oberlandesgericht Frankfurt am Main der Presse mitteilte, schloss sich der achte Zivilsenat, zuständig für Arzthaftungsrecht, dem Urteil der Vorinstanz an.
Demnach habe sich nach weiterer Beweisaufnahme bestätigt, dass die Beklagten den äußerst schlechten Gesundheitszustand des Klägers durch grobe Behandlungsfehler mitverursacht haben. Die ausführliche Urteilsbegründung wurde bisher noch nicht veröffentlicht.
Klinik ohne notwendige Expertise
Wie es im Pressetext heißt, sei das gesamte medizinische Behandlungskonzept offensichtlich fehlerhaft gewesen. Demnach hätte die Mutter als schwangere Risikopatientin ausschließlich in einer Klinik behandelt werden dürfen, die auch über eine neonatologische Intensivstation verfüge.
Bei einer derartigen Risikoschwangerschaft mit eineiigen Zwillingen könne es jederzeit zu einer Frühgeburt oder zu schweren Komplikationen bis hin zum Tod eines Fötus kommen, so hob das Gericht hervor. Dies mache eine sofortige Entbindung und Notfallbehandlung des überlebenden Zwillings erforderlich.
Eine angemessene Behandlung dieser Neugeborenen könne aber nur durch neonatologische Fachärzte mit einer entsprechenden technischen Ausstattung gewährleistet werden. „Die Behandlung von Frühchen ist extrem heikel. Durch jedwede auch nur kurzfristige Fehlversorgung drohen unmittelbar schwere Schäden“, so hob der Senat hervor.
Gravierende Auswirkungen der Fehlbehandlung
Weil das Kind bei der Geburt aber nicht angemessen versorgt werden konnte, habe die Fehlbehandlung die Hirnschäden mitverursacht. Mit gravierenden Auswirkungen: Der Kläger leidet unter einer schweren Entwicklungsstörung, ist blind und hat eine starke Hörschwäche. Zudem sind seine Schluckfähigkeit sowie die Kontrolle über seine Blase stark beeinträchtigt.
Die erlittenen schwersten Gesundheitsschäden rechtfertigten ein Schmerzensgeld in Höhe von 720.000 Euro, so bestätigte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 18. Februar 2025 (8 U 8/21).
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Beklagten haben die Möglichkeit, mit einer Nichtzulassungsbeschwerde zu beantragen, dass der Bundesgerichtshof (BGH) den Fall prüft.
(Quelle VersicherungsJournal (27.02.2025)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
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