Eine Untersuchung der Stiftung Warentest sowie die Berichte des Versicherungsombudsmannes der letzten Jahre zeigen, dass der Deckungsschutz im Rechtsschutz oft zu Unrecht versagt wird. Ein Überblick über Erfolgsquoten und Knackpunkte in den Argumentationen.
Geht es um Ärger mit Versicherungen, liegt die vergleichsweise kleine Sparte Rechtsschutz ganz oben auf. Von den 18.037 Kundenbeschwerden, die 2023 bei der Schlichtungsstelle Versicherungsombudsmann e.V. eingingen, betrafen 2.934 die Rechtsschutzsparte. Das war wie in den Vorjahren der zweithöchste Wert nach der Lebensversicherung (VersicherungsJournal 15.5.2024, 23.1.2024).
Die Kunden beklagen sich bei der von der Branche eingerichteten Institution des Schlichters, die seit April mit Dr. Sibylle Kessal-Wulf über eine Ombudsfrau verfügt (9.1.2024), im Wesentlichen über ausgebliebene Leistungen – das ist in der Rechtsschutz der versagte Deckungsschutz.
Hohe Erfolgsquote bei Deckungsschutzklagen
Die Erfolgsaussichten bei den Deckungsschutzklagen sind günstig: Auf eine Erfolgsquote von 63 Prozent zugunsten der Versicherungskunden kommt eine Untersuchung der Stiftung Warentest (Finanztest 04/2024).
Im Auftrag der Verbraucherschutzorganisation untersuchte Jura-Professor Dr. Christian Armbrüster von der Freien Universität Berlin 410 Urteile zu Deckungsklagen, deren Urteile zwischen 2012 und Februar 2024 in juristischen Fachzeitschriften und Datenbanken veröffentlicht worden sind. Sein Ergebnis: 258 Mal gewann der Kunde ganz oder überwiegend (14.3.2024).
Finanztest berichtet darüber hinaus über eine interne Statistik des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV), wonach die Kunden 2022 747 (2021: 717) Deckungsklagen und 2017 sogar 920 einreichten.
Rechtsprechung zum Deckungsschutz
Auch wenn rechtliche Streitigkeiten der Sache sowie dem Zeitraum nach abgesichert sind und keine Ausschlusstatbestände vorliegen, kann der Rechtsschutzversicherer den Deckungsschutz versagen, wenn der Kunde den Rechtsstreit mutwillig verursacht oder eine Klage „keine hinreichende Aussicht auf Erfolg“ hat.
Als mutwillig definieren die Versicherer, wenn die „voraussichtlich entstehenden Kosten in einem groben Missverhältnis zum angestrebten Erfolg stehen“. Dies sah beispielsweise das Oberlandesgericht Dresden (4W 818/19) bei einer durch den Beschäftigten provozierten Kündigungsklage gegeben, die dem Zweck dienen sollte, eine höhere Abfindung zu erlangen.
Dass Versicherte gegen Ordnungswidrigkeiten prozessieren und damit über der Strafe liegende Rechtskosten auslösen können, werten die Gerichte regelmäßig nicht als mutwillig. Es ist auch nicht mutwillig, gegen eine vermeintlich aus formalen Gründen unwirksame Kündigung eines Darlehens vorzugehen, wenn man selbst in Zahlungsverzug gekommen ist (Landgericht Duisburg, 5 S 87/17).
Schiedsgutachten und Stichentscheid
Widerspricht der Kunde der Ablehnung des Versicherers, sehen die unverbindlichen Musterbedingungen des GDV als Konfliktlösung das Schiedsgutachten und den Stichentscheid (ARB 2021, Paragraph 3.3.4) vor. Beim Schiedsgutachten beurteilt ein vom Kunde beauftragter, von der örtlich zuständigen Rechtsanwaltskammer benannter Gutachter den Sachverhalt, beim Stichentscheid der Rechtsanwalt des Kunden.
Unabhängig vom Ausgang übernimmt der Versicherer grundsätzlich die Kosten des Rechtsanwalts. Dieses Verfahren scheint in der Branche auch das vorrangige zu sein. Vereinzelt bieten die Versicherer ihren Kunden beide Möglichkeiten an – beispielsweise die Allianz Versicherungs- AG und die Örag Rechtsschutzversicherungs- AG.
Beim Schiedsgutachten übernimmt den GDV-Musterbedingungen zufolge der Versicherer nur die Kosten, wenn die Leistungsverweigerung ganz oder teilweise unberechtigt war.
Urteil des Bundesgerichtshofs erwartet
Beim Schiedsgutachterverfahren könnte sich bald etwas ändern: Wie die Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht im Deutschen Anwaltverein mitteilt, hat der Bundesgerichtshof hierzu ein Urteil für den 12. Juni 2024 angekündigt.
Für den Rechtsschutzversicherer sind die Einschätzungen beider Experten grundsätzlich bindend. Für den Kunden ist nur das Stichentscheidverfahren bindend, wobei er immer noch die Möglichkeit hat, innerhalb von sechs Monaten eine Deckungsschutzklage anzustrengen.
Wird der Deckungsschutz versagt, kann das viele Gründe haben. Der Vermittler sollte die Argumentation des Versicherers genau prüfen und kann als unbeteiligter Dritter seinem Kunden zu sinnvollen weiteren Schritten raten.
(Quelle VersicherungsJournal 06.06.2024)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler*in – Künstler*in
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