09.12.2024
Krankenkasse leistet Fortpflanzungsschutz auch bei Geschlechtsumwandlung

Die Übernahme einer Kryokonservierung von Ei- und Samenzellen gehört zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung, jedoch nur, sofern eine medizinisch notwendige Behandlung zum Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit führen kann. Das Bundessozialgericht hat nun entschieden, dass Personen, die eine geschlechtsangleichende Behandlung durchführen lassen, auch Anspruch auf die Kryokonservierung von Samenzellen haben können.
Seit Juli 2021 gehört die Übernahme einer Kryokonservierung von Ei- und Samenzellen zum regulären Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), sofern eine medizinisch notwendige Behandlung zum Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit führen kann. Die gesetzlichen Grundlagen sind dafür die Richtlinie zur Kryokonservierung des Gemeinsamen Bundesausschusses (Kryo-RL) und der § 27a Absatz 4 SGB V.
Als medizinisch notwendiger Eingriff, der eine Kostenübernahme bedingt, gilt zum Beispiel bei einem Krebskranken eine Chemotherapie, eine Strahlentherapie oder eine Operation, die laut behandelndem Arzt zu einer Unfruchtbarkeit oder Beeinträchtigung der Fortpflanzungsfähigkeit führen kann.
Unfruchtbar durch Geschlechtsumwandlung
Dass die GKV auch bei einer geschlechtsangleichenden Behandlung von Mann zur Frau, durch die die betroffene Person unfruchtbar wird, die Kosten für die Kryokonservierung übernehmen muss, zeigt eine am 28. August 2024 getroffene Entscheidung des Bundessozialgerichts (B 1 KR 28/23 R).
Ein 1999 geborener gesetzlich Krankenversicherter befindet sich in einer geschlechtsangleichenden Behandlung vom Mann zur Frau, die von seiner Krankenkasse, der AOK Niedersachsen, bezahlt wird. Diese Behandlung führt jedoch zur Unfruchtbarkeit.
Um seine Fortpflanzungsfähigkeit für eine spätere künstliche Befruchtung zu sichern, beantragte der Betroffene bei der Krankenkasse die Übernahme der Kosten für die Kryokonservierung seiner Samenzellen.
Klage vor mehreren Instanzen
Die Krankenkasse lehnte diesen Antrag ab, woraufhin der Betroffene Widerspruch einlegte. Während des Widerspruchsverfahrens schloss der Kläger einen Vertrag mit einem Anbieter für Kryokonservierungsleistungen ab. Die Kosten beliefen sich auf knapp 694 Euro.
In erster Instanz gab das Sozialgericht Hildesheim dem Kläger Recht und verurteilte die Krankenkasse zur Kostenübernahme.
Auf Berufung der Krankenkasse hob das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen das Urteil jedoch auf und wies die Klage ab. Es argumentierte, dass die Voraussetzungen für eine Kryokonservierung gemäß § 27a Absatz 4 SGB V sowie der entsprechenden Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht erfüllt seien.
Die Kryokonservierung sei laut Landessozialgericht nur bei einer keimzellschädigenden Therapie und im Zusammenhang mit einer künstlichen Befruchtung vorgesehen, was im vorliegenden Fall nicht zutreffe.
Berücksichtigt den Wunsch nach Fortpflanzung
Letztendlich entschied das Bundessozialgericht aber zugunsten des Klägers und hob damit das Urteil des Landessozialgerichts auf. Es stellte fest, dass auch eine geschlechtsangleichende Behandlung, die zur Unfruchtbarkeit führt, als eine keimzellschädigende Therapie im Sinne von § 27a SGB V angesehen werden kann.
Das wiederum kann bei Personen, die auf Kosten der GKV eine geschlechtsangleichende Behandlung durchführen lassen, dazu führen, dass die Krankenkasse auch die Kosten für eine Kryokonservierung zu tragen hat.
„Das Gesetz räumt die Möglichkeit der Kryokonservierung vor keimzellschädigenden Behandlungen ein. Dies trägt dem Bedürfnis Rechnung, die eigene Fortpflanzungsfähigkeit zu erhalten und gilt unabhängig von der geschlechtlichen Identität. Den Anspruch haben daher auch Personen, die auf Kosten der Krankenkasse eine geschlechtsangleichende Behandlung von Mann zu Frau durchführen“, wie das BSG betont.
(Quelle VersicherungsJournal 30.08.2024)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
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