13.05.2024
Muss die Haftpflicht-Versicherung für den Ausraster eines Versicherten einstehen?

Ein Versicherungsnehmer hatte nach einer verbalen Auseinandersetzung im Straßenverkehr einem anderen, für ihn erkennbar schwerbeschädigten, Verkehrsteilnehmer in den Rücken geschlagen und diesen dadurch zu Fall gebracht. Dabei nimmt er dessen schwere Gesundheitsschädigung in Kauf mit der Folge, dass sein Privathaftpflicht-Versicherer leistungsfrei ist. So beschloss das Oberlandesgericht Dresden am 29. Juni 2023 (4 U 2626/22).
Der Fahrer eines Jeeps war Anfang Oktober 2019 verbal mit dem Fahrer eines Kleinwagens aneinandergeraten. Als der Kleinwagenfahrer daraufhin aus seinem Fahrzeug ausstieg und mit der flachen Hand gegen die Hecksäule des Jeeps schlug, stieg auch dessen Fahrer aus.
Doch anstatt sich das eher harmlose Tun des Kleinwagenfahrers zu verbitten, schlug er ihm, als dieser sich bereits wieder auf dem Weg zu seinem Auto befand, heftig in den Rücken. Der Fahrer des Kleinwagens schlug daraufhin mit dem Gesicht auf die Motorhaube seines Fahrzeugs auf. Anschließend stürzte er mit seiner rechten Körperhälfte auf einen Bordstein.
Reflexartige Reaktion des Versicherungsnehmers?
Wegen des Vorfalls forderte er von dem Jeepfahrer Schadenersatz und Schmerzensgeld. Der meldete den Vorfall seinem Privathaftpflicht-Versicherer.
In der Schadenanzeige behauptete er, dass sein Kontrahent mehrfach gegen seinen Wagen geschlagen habe. Weil er sich angegriffen gefühlt habe, sei er aus seinem Jeep ausgestiegen. Dabei habe er den Angreifer reflexartig weggestoßen. Dieser sei daraufhin gestürzt.
Weil sich diese Schilderung des Geschehens nach der Aussage eines glaubhaften Zeugen nicht mit dem tatsächlichen Ablauf des Vorfalls deckte, wurde gegen den „Schubser“ ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Das wurde schließlich gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 1.000 Euro eingestellt.
Privathaftpflicht-Versicherer verweigerte die Leistung
Der Privathaftpflicht-Versicherer des Jeepfahrers machte ihm ebenfalls Stress. Denn er weigerte sich, ihm für den Vorfall Deckungsschutz zu gewähren. Das begründete der Versicherer damit, dass der Versicherungsnehmer vorsätzlich und widerrechtlich gehandelt habe. Das würde gemäß § 103 VVG eine Leistungsverpflichtung ausschließen.
Mit seiner daraufhin gegen den Versicherer eingereichten Deckungsklage hatte der Mann keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht Dresden hielt sie für unbegründet.
Nach Ansicht der Richter kann es dahinstehen, ob dem Kläger tatsächlich ein vorsätzliches Handeln bezüglich der Verletzungen seines Kontrahenten vorgehalten werden kann.
Kein Versicherungsschutz wegen vorsätzlicher Verletzung der Aufklärungspflicht
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme müsse wenigstens davon ausgegangen werden, dass er dem auch für ihn erkennbar schwerbehinderten Kleinwagenfahrer von hinten zu Boden gestoßen habe. Von der von ihm in der Schadenanzeige behaupteten Notwehr- und Verteidigungssituation könne daher keine Rede sein.
Wegen Falschangaben sei folglich von einer vorsätzlichen Verletzung seiner Aufklärungspflicht im Sinne der Allgemeinen Versicherungs-Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) auszugehen. Der Versicherer habe ihm daher zu Recht die Gefolgschaft verweigert.
(Quelle VersicherungsJournal 15.02.2024)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler*in – Künstler*in
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