Ein Fußgänger wollte vor einem im Einsatz befindlichen Polizeiwagen noch schnell die Straße überqueren. Dabei wurde er angefahren. Für dadurch entstandene Schäden ist er allein verantwortlich – so das Kammergericht Berlin in einem Beschluss vom 7. März 2022 (25 U 135/21).
Ein Fußgänger hatte zu nächtlicher Stunde versucht, kurz vor einem herannahenden im Einsatz befindlichen Polizeifahrzeug eine Straße zu überqueren. Dabei war er von dem rückwärts in einer Einbahnstraße entgegen der erlaubten Fahrtrichtung fahrenden Fahrzeug angefahren worden.
Die Polizeibehörde hielt allein den Mann für den Unfall verantwortlich. Sie verklagte ihn daher auf Ersatz des durch den Zusammenprall an dem Fahrzeug entstandenen Schadens.
Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung
An dem Streifenwagen seien sowohl das Blaulicht als auch das Martinshorn eingeschaltet gewesen. Im Übrigen habe der Fahrer wegen der auf Einsatzfahrten bestehenden Sonderrechte die Einbahnstraße auch entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung befahren dürfen.
Dieser Argumentation schloss sich das Berliner Kammergericht an. Nach Ansicht des Gerichts gelte das in § 38 StVO normierte Gebot, im Einsatz befindlichen durch Blaulicht und ein Martinshorn erkennbaren Polizei- und Rettungswagen sofort freie Bahn zu schaffen, auch für Fußgänger.
Der Beklagte habe außerdem gegen § 25 Absatz 3 StVO verstoßen. Denn danach müsse ein Fußgänger beim Betreten der Fahrbahn auf sich nähernde Fahrzeuge achten. Außerdem dürfe er den fließenden Verkehr nicht behindern. Vor dem Betreten habe er darüber hinaus besondere Vorsicht walten zu lassen.
Die Fahrbahn diene nämlich in erster Linie dem Kraftfahrzeugverkehr. Ein Passant dürfe daher insbesondere nicht versuchen, noch kurz vor einem herannahenden Auto die Fahrbahn zu überqueren.
Fußgänger verhielt sich grob fahrlässig
Selbst wenn an dem Streifenwagen, wie von dem Fußgänger behauptet, nur das Blaulicht eingeschaltet gewesen sein sollte, hätte er es nach Ansicht der Richter wahrnehmen müssen. Die Straße sei nach seiner eigenen Darstellung nämlich nur schwach beleuchtet gewesen. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung seien Blaulichter unter derartigen Umständen jedoch besonders gut zu erkennen.
„Hinzu kommt, dass auch das Motorengeräusch des rückwärtsfahrenden Polizeifahrzeugs dem Beklagten auffallen musste, zumal der Rückwärtsgang eines Fahrzeugs eine relativ niedrige Übersetzung hat, bei der vom Beklagten behaupteten Geschwindigkeit also deutlich vernehmbar gewesen sein muss“, so das Gericht.
Eine Mithaftung des Fahrers des Einsatzfahrzeugs schlossen die Richter aus. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei der Fußgänger dunkel gekleidet gewesen. Er habe die Straße außerdem hinter einem Kleintransporter betreten. Mit einem derartigen nicht vorhersehbaren Hereinlaufen eines Passanten in die Fahrlinie seines Fahrzeugs habe der Streifenwagenfahrer nicht rechnen müssen.
Das Gericht stufte das Verhalten des Fußgängers als grob fahrlässig ein. Denn er habe die Fahrbahn trotz des sich nähernden Fahrzeugs quasi blindlings überqueren wollen. Er sei daher allein für die Folgen des Unfalls verantwortlich.
(Quelle VersicherungsJournal 23.03.2023)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
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