16.01.2023
Ärztliche Aufklärungspflicht: Wenn OP-Risiken verharmlost werden

Ärzte sind vor Durchführung einer Operation dazu verpflichtet, Patienten explizit auf Risiken hinzuweisen, die sich bei etwa der Hälfte aller Operierten verwirklichen. Das geht aus einem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 16. August 2022 hervor (VI ZR 342/21).
Geklagt hatte eine Patientin, die im Mai 2014 wegen eines großen Gehirntumors operiert worden war. Sie litt nach der Operation unter halbseitigen Lähmungserscheinungen, die sich nicht zurückbildeten.
Daraufhin verklagte die Frau den Operateur beziehungsweise das Krankenhaus auf Zahlung von Schadenersatz sowie eines Schmerzensgeldes. Ihr Argument: Vor dem Eingriff sei sie nicht ausreichend über das Risiko einer Lähmung aufgeklärt worden. Wäre sie darüber aufgeklärt worden, dass die Operation sehr schwierig sei und das Risiko berge, zu einem Pflegefall zu werden, hätte sie zumindest eine Zweitmeinung eingeholt.
Aufklärungsbogen unterschrieben
Der Arzt verteidigte sich damit, mit der Betroffenen ausführlich über die Operationsrisiken gesprochen und diese in einem von ihr in seinem Beisein durchgelesenen und unterschriebenen Aufklärungsbogen dokumentiert zu haben. Dabei habe er wesentliche Risiken unterstrichen.
Der Bogen enthielt jedoch auch folgenden Passus: „Seien Sie durch die Aufzählung der Komplikations-Möglichkeiten bitte nicht beunruhigt, diese treten keinesfalls regelhaft auf. Im Gegenteil, sie bilden die Ausnahme. Treten dennoch Komplikationen auf, können sich Störungen und Ausfälle im Laufe der Zeit wieder zurückbilden. Nur selten kommt es zu schweren bleibenden Störungen.“
Die Vorinstanzen hielten die Klage dennoch für unbegründet. Denn in dem Fragebogen sei unter anderem erwähnt worden, dass es zu Komplikationen „ähnlich einem Schlaganfall“ kommen könne. Es sei außerdem auf „lebensbedrohliche Komplikationen“ hingewiesen worden. Beide Begriffe seien von dem Arzt handschriftlich unterstrichen worden. Mehr könne nicht von ihm erwartet werden.
Verharmlosende Darstellung von Operationsrisiken
Dem wollten sich die Richter des Bundesgerichtshofs nicht anschließen. Sie wiesen den Fall zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
Das Berufungsgericht habe bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, dass der Arzt den Passus „schwere und dauerhafte Ausfälle“ nicht unterstrichen habe, obwohl er nach seiner Aussage relevante Risiken durch Unterstreichung habe hervorheben wollen. Das Risiko von Ausfällen sei jedoch trotz einer sorgfältigen Diagnostik und Operation relevant. Es verwirkliche sich nach Aussage eines Sachverständigen in bis zu 50 Prozent aller Fälle.
Mit der Aussage, dass es sich um eine „Ausnahme“ handele, die sich im Laufe der Zeit wieder zurückbilde, sei das Operationsrisiko daher nicht zutreffend, sondern verharmlosend beschrieben worden. Der Fall müsse daher erneut verhandelt werden.
(Quelle VersicherungsJournal 27.10.2022)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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