05.12.2022
Radfahrerin stürzt bei Ausweichen eines Rettungswagens – wer haftet?

Eine Radlerin hatte sich beim Ausweichen eines Krankenwagens verletzt. Dafür hat sie Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Das hat das Oberlandesgericht Oldenburg mit einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 17. Mai 2022 entschieden (2 U 20/22).
Die 72-jährige Klägerin war mit ihrem Velo zusammen mit anderen Radfahrern auf einer engen Straße unterwegs, als sich von hinten ein Rettungswagen mit eingeschaltetem Martinshorn näherte. Weil sie sich durch das Fahrzeug gefährdet fühlte, versuchte sie sich in Sicherheit zu bringen und stieg von ihrem Fahrrad ab. Dabei stürzte sie und brach sich einen Fußknöchel.
Ohne Berührung kein Schadenersatz?
Deswegen verlangte sie Schadenersatz sowie Schmerzensgeld von dem Rettungsdienst. Der lehnte die Forderung mit der Begründung ab, dass es zu keiner Berührung zwischen ihr und dem Fahrzeug gekommen sei. Sie habe ihren Sturz daher selbst verursacht.
Damit hatte der Fahrzeughalter zunächst Erfolg. Das in erster Instanz mit dem Fall befasste Landgericht Aurich hielt die Forderung der Fahrradfahrerin ebenfalls für unbegründet und wies ihre Klage zurück. Sie legte daher Berufung beim Oldenburger Oberlandesgericht ein. Das hielt ihre Forderung für begründet.
Haftung aus der Betriebsgefahr des Rettungswagens
Auch wenn es zu keiner Kollision zwischen der Frau und dem Fahrzeug gekommen ist, hat sich nach Ansicht des Berufungsgerichts die Betriebsgefahr des Rettungswagens verwirklicht. Dessen Fahrer habe das Ausweichmanöver und das Absteigen der Klägerin von ihrem Fahrrad veranlasst.
„Ein Schaden ist jedoch bereits dann ‚beim Betrieb‘ eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich die von diesem ausgehende Gefahr überhaupt ausgewirkt hat. Das ist hier der Fall“, so das Gericht. Die Radfahrerin habe die Situation nämlich zu Recht als gefährlich empfunden und sei deswegen von ihrem Zweirad abgestiegen.
Weil das Gericht die Betriebsgefahr des Rettungswagens mit lediglich 20 Prozent bewertete, bleibt die Klägerin auf einem Großteil ihres Schadens sitzen. Wegen der Folgen ihrer Verletzung wurde ihr vom Oberlandesgericht ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.400 Euro zugesprochen. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.
(Quelle VersicherungsJournal 05.10.2022)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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