22.08.2022
Verzicht auf Fahrverbot: Amtsgericht erhält einen Rüffel

Wenn ein Amtsgericht gegen eine Verdopplung der Geldbuße darauf verzichtet, gegen einen Verkehrssünder ein fällig werdendes Fahrverbot zu verhängen, muss es das ausführlich begründen. Die kritiklose Übernahme der Einlassungen des Betroffenen oder bloße Vermutungen seitens des Gerichts genügen dieser Anforderung nicht. So das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in einem Beschluss vom 26. April 2022 (3 Ss-OWi 415/22).
Nach einem Bericht des Deutschen Anwaltvereins war ein Autofahrer dabei ertappt worden, als er auf einer Autobahn die für den Streckenabschnitt angeordnete zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 Kilometer pro Stunde um mindestens 43 Kilometer pro Stunde überschritt.
Gegen ihn wurde daher von der Bußgeldstelle eine Geldbuße von 160 Euro verhängt. Diese war mit einem einmonatigen Fahrverbot verbunden.
Aus beruflichen Gründen auf Fahrerlaubnis angewiesen
Daraufhin legte der Mann beim Amtsgericht Wiesbaden Einspruch ein. Seine Begründung: Er sei aus beruflichen Gründen auf seine Fahrerlaubnis angewiesen. Bei Verhängung eines Fahrverbots sei zu befürchten, dass ihm gekündigt werde. Denn er befinde sich noch in der Probezeit.
Diese Argumentation fanden die Richter überzeugend. Weil das Fahreignungsregister keine Eintragung zulasten des Beschuldigten aufwies und er in der Probezeit auch keinen Urlaub nehmen konnte, verzichtete das Gericht darauf, das Fahrverbot zu verhängen. Es verdoppelte lediglich die Geldbuße. Denn ein Fahrverbot stelle im Fall des Betroffenen eine besondere Härte dar.
Zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen
Mit dieser Entscheidung war die Staatsanwaltschaft nicht einverstanden. Sie legte daher Beschwerde beim Frankfurter Oberlandesgericht ein. Mit Erfolg: Die Richter hoben das Urteil des Amtsgerichts auf und wiesen den Fall zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
Das Beschwerdegericht bestritt nicht, dass ein Arbeitsplatzverlust, verbunden mit einer existenziellen Bedrohung, im Einzelfall eine so unverhältnismäßige Härte darstellen kann, dass eine Ausnahme von der Verhängung eines Fahrverbots gerechtfertigt sei. Grundlage für die Entscheidung des Amtsgerichts seien jedoch ausschließlich die Einlassungen des Beschuldigten sowie eigene Vermutungen gewesen.
Gezogene Schlussfolgerung nur bloße Vermutung
Ob tatsächlich zu befürchten gewesen sei, dass das Arbeitsverhältnis des Autofahrers durch seinen Arbeitgeber gekündigt wird, haben die Richter nicht geprüft. Die Urteilsbegründung habe sich vielmehr in einer unkritischen Wiedergabe der Einlassungen des Betroffenen erschöpft.
„Auch die vom Tatgericht gewählte Formulierung, wonach ‚in der Regel kein Urlaub genommen werden darf‘, indiziert, dass sich diese vom Tatgericht gezogene Schlussfolgerung nur als eine Annahme beziehungsweise bloße Vermutung erweist“, so das Frankfurter Oberlandesgericht.
Das Amtsgericht hat die versäumten eigenen Feststellungen nun in einer weiteren Hauptverhandlung nachzuholen, um danach zu einer endgültigen Entscheidung zu gelangen.
(Quelle VersicherungsJournal 14.06.2022)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
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