Ein per E-Mail gegen eine Entscheidung einer Behörde oder eines Gerichts erhobener Widerspruch beziehungsweise Einspruch muss weiterhin nur dann anerkannt werden, wenn ihm eine qualifizierte elektronische Signatur beigefügt wurde. Das hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen mit Urteil vom 4. November 2021 entschieden und damit eine gleichlautende Entscheidung des Lüneburger Sozialgerichts bestätigt (L 11 AS 632/20).
Geklagt hatte ein Pärchen aus Lüneburg, das Hartz-IV-Leistungen bezog. Es hatte per E-Mail Widerspruch gegen einen Leistungsbescheid des Job-Centers eingelegt. Die in dem Bescheid enthaltene Widerspruchsbelehrung enthielt den Hinweis, dass ein Widerspruch „schriftlich oder zur Niederschrift“ einzulegen sei.
Das Job-Center sah in der Art des Widerspruchs das Formerfordernis als nicht erfüllt an. Denn bei einer einfachen E-Mail sei die technische Voraussetzung einer eindeutigen Urheberschaft nicht gewährleistet. Der Widerspruch sei daher formgerecht nachzureichen. Er sei andernfalls unzulässig.
Ihre daraufhin beim Landgericht Lüneburg eingereichte Klage begründete das Pärchen damit, dass aus dem Bescheid des Job-Centers nicht ersichtlich sei, dass ein Widerspruch per E-Mail nicht dem Formerfordernis entspreche.
Denn unter dem Begriff „schriftlich“ verstehe ein „normaler“ Mensch im Zeitalter des elektronischen Schriftwechsels auch eine E-Mail. Diese gehöre schließlich zu einer ganz normalen täglichen Kommunikation.
Keine zweifelsfreie Identifizierung
Dieser Argumentation schloss sich das Landgericht jedoch ebenso wenig an wie das in Berufung mit dem Fall befasste Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen.
Die Richter betonten zwar, dass es durchaus statthaft ist, einen Widerspruch auch in elektronischer Form einzureichen. Das erfordere aber, dass die Identität des Einreichers zweifelsfrei festgestellt werden könne.
Dazu bedürfe es einer qualifizierten elektronischen Signatur oder einer Absender-authentifizierten Übersendung, zum Beispiel als De-Mail. Eine einfache E-Mail reiche hingegen nicht aus.
Weil das Job-Center auf diese Möglichkeiten nicht hingewiesen habe, habe sich die Widerspruchsfrist von einem Monat auf ein Jahr verlängert. Die Kläger hätten allerdings auch in dieser Zeit keinen dem Formerfordernis entsprechenden Widerspruch eingelegt. Sie hätten vielmehr weiterhin darauf beharrt, dass eine einfache E-Mail ausreiche. Ihre Klage sei daher zurückzuweisen.
Noch nicht endgültig entschieden
Nachdem das Landessozialgericht keine Revision gegen seine Entscheidung zugelassen hatte, haben die Leistungsempfänger eine Nichtzulassungs-Beschwerde beim Bundessozialgericht eingereicht. Über die ist noch nicht entschieden worden.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich ein Gericht mit der Frage befassen musste, ob einer auf elektronischem Weg übersandten Klage oder einem Einspruch eine elektronische Signatur beizufügen ist. Die Mehrzahl der Gerichte bejaht die Notwendigkeit einer solchen Signatur (VersicherungsJournal 2.8.2007, 23.1.2008, 15.9.2009, 21.12.2012, 10.7.2013, 10.3.2016, 19.10.2016 und 5.4.2018).
Uneinigkeit auch bei Bußgeldbescheiden
Ob es ausreicht, gegen einen Bußgeldbescheid mit einer gewöhnlichen E-Mail Einspruch einzulegen, ist in der Rechtsprechung ebenfalls umstritten.
Das Landgericht Mosbach war in einer Entscheidung aus dem Jahr 2018 ebenfalls der Ansicht, dass es unter bestimmten Voraussetzungen durchaus statthaft sein kann, einen Einspruch per einfacher E-Mail einzulegen (VersicherungsJournal 5.11.2018).
Andere Gerichte, wie beispielsweise das Landgericht Fulda (VersicherungsJournal 14.8.2013) sowie das Tübinger Landgericht (VersicherungsJournal 19.3.2019), waren jedoch der Meinung, dass ein Einspruch per E-Mail nur dann statthaft ist, wenn er mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist.
Das Amtsgericht Frankfurt am Main vertrat in einer Entscheidung vom 31. März 2019 hingegen die Auffassung, dass ein per E-Mail eingelegter Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid dann nicht zu beanstanden ist, wenn aus ihm hinreichend zuverlässig auf die Identität des Absenders geschlossen werden kann und wenn die Verwaltungsbehörde in dem Bescheid ohne Einschränkung eine E-Mail-Adresse angegeben hat (VersicherungsJournal 29.7.2019).
(Quelle VersicherungsJournal (14.12.2021)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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