04.10.2021
Probefahrt nach Autoreparatur ist Sache des Schädigers

Hohe Reparaturkosten lassen grundsätzlich darauf schließen, dass nach der unfallbedingten Reparatur eines Fahrzeugs eine Probefahrt durchgeführt werden muss. Der Versicherer des Unfallverursachers hat daher die dadurch anfallenden Kosten zu übernehmen. So das Amtsgericht Stuttgart in einem Urteil vom 16. Oktober 2020 (44 C 607/20).
Der Personenkraftwagen des Klägers war bei einem Verkehrsunfall erheblich beschädigt worden. Die Reparaturkosten betrugen mehr als 21.000 Euro.
Die wollte der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers übernehmen. Er weigerte sich aber, dem Geschädigten die Kosten für eine von der Werkstatt in Rechnung gestellten Probefahrt zu erstatten.
Zu Unrecht, befand das Stuttgarter Amtsgericht. Es gab der Klage des Geschädigten gegen den Versicherer in vollem Umfang statt.
Fahrzeug nach Reparatur überprüfen
Nach Ansicht des Gerichts war schon allein wegen der Höhe der Reparaturkosten erkennbar, dass eine Probefahrt durchgeführt werden musste. Denn nach den umfangreichen Arbeiten musste die Werkstatt im Rahmen einer solchen Fahrt das Fahrzeug auf Geräuschentwicklungen überprüfen, welche in den vorgenommenen Arbeiten ihre Grundlage haben könnten.
Im Übrigen gehe das sogenannte Werkstattrisiko grundsätzlich zulasten des Schädigers beziehungsweise seines Haftpflichtversicherers. Dazu gehörten auch Kosten für möglicherweise unnötige Zusatzarbeiten, welche durch die Werkstatt ausgeführt wurden. Es sei gegebenenfalls Sache des Schädigers, sich mögliche Forderungen wegen einer überhöhten Rechnung abtreten zu lassen.
Vergleichbare Entscheidungen
Das Amtsgericht Nördlingen hatte sich in einem Urteil vom 21. Juli 2020 (2 C 129/20) ebenfalls mit der Frage der Erstattungsfähigkeit von Kosten für eine Probefahrt zu befassen. In diesem Fall waren die Reparaturkosten zwar nicht ansatzweise so hoch wie in dem Stuttgarter Fall. Bei dem verunfallten Fahrzeug war jedoch unter anderem der Austausch einer Tür erforderlich.
Um Windgeräusche zu testen, hielt das Nördlinger Amtsgericht eine Probefahrt für notwendig. Der Versicherer des Unfallverursachers wurde daher auch in diesem Fall dazu verurteilt, die dadurch angefallenen Kosten zu übernehmen.
Auto nicht ungeprüft an Kunden übergeben
Die Frage, ob die Kosten für Probefahrten durch den Versicherer eines Unfallverursachers übernommen werden müssen, hat auch in der Vergangenheit zu Streit geführt. So hat zum Beispiel das Amtsgericht Heinsberg in einem Urteil vom 11. März 2020 (19 C 1/20) entschieden, es liege auf der Hand, dass nach Karosseriearbeiten eine Probefahrt durchgeführt werden muss.
Denn dadurch solle ausgeschlossen werden, dass das Fahrzeug ungeprüft an den Kunden übergeben wird und gegebenenfalls Reklamationen anfallen, deren Nachbearbeitung gesondert in Rechnung gestellt werden müssten (VersicherungsJournal 9.6.2020).
(Quelle VersicherungsJournal 08.07.2021)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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