30.08.2021
Eine Millionen Euro Schmerzensgeld für dauerhafte Schädigung

Erleidet ein zur Behandlung in einem Krankenhaus befindliches Kind wegen eines Fehlers des Klinikpersonals eine dauerhafte Hirnschädigung, kann die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von einer Millionen Euro gerechtfertigt sein. Das geht aus einem Urteil des Landgerichts Limburg vom 28. Juni 2021 hervor (1 O 45/15).
Der seinerzeit einjährige Kläger war kurz vor Weihnachten des Jahres 2011 wegen eines Infekts stationär in ein Krankenhaus eingewiesen worden. Dort sollte ihm wenige Tage später über einen sogenannten Portzugang ein Antibiotikum verabreicht werden.
Das regte das Kind dermaßen auf, dass es sich an einem ihm zuvor gereichten Apfelstück verschluckte und zu ersticken drohte.
Daraufhin eingeleitete Rettungsmaßnahmen waren nicht nur fehlerhaft, sondern in ihrer Form sogar schädlich. Das führte dazu, dass das Baby schwerste Hirnschädigungen erlitt. Das Limburger Landgericht sprach ihm daher die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von einer Millionen Euro zu.
Schmerzensgeld fiel sehr viel höher als erwartet aus
Nach der Beweisaufnahme waren die Richter davon überzeugt, dass der Krankenschwester, die das Medikament verabreicht hat, bewusst war, dass das Kind kurz zuvor einen Apfel gegessen hat.
Sie habe daher mit der Medikamentengabe so lange warten müssen, bis sichergestellt war, dass der Patient möglicherweise im Mund verbliebene Speisereste nicht einfach verschluckt. Denn angesichts der Gesamtumstände habe nicht ausgeschlossen werden können, dass sich das Kind wegen der Medikamentgabe aufregt.
Mit der zugesprochenen Schmerzensgeldsumme blieb das Gericht erheblich über der Mindestforderung, die der Junge beantragt hatte. Dessen Vertreter hatten die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichtes gefordert, mindestens jedoch eine halbe Millionen Euro.
Rund und um die Uhr auf fremde Hilfe angewiesen
Diesen Betrag hielten die Richter angesichts der gravierenden Folgen für das Kind für zu gering. Denn es sei ihm nicht annähernd möglich, jemals ein normales Leben zu führen. Es könne weder sprechen noch laufen. Eine normale Kindheit sei ihm daher weitgehend verwehrt geblieben. Der Kläger könne sich kaum bewegen, nicht selbst essen oder sich waschen und pflegen.
Auch ein Spielen mit seinen Eltern, Geschwistern oder anderen Kindern, der Besuch eines Kindergartens oder einer normalen Schule sowie der Aufbau von regulären Sozialbeziehungen zu Gleichaltrigen seien ihm wegen des seinerzeitigen Fehlers des Krankenhauspersonals verwehrt.
Der Kläger sei rund und um die Uhr auf fremde Hilfe angewiesen. Seine Gefühle und Gedanken könne er nur eingeschränkt äußern. Selbst Essen und Schlafen seien für ihn infolge von Schluckbeschwerden und Epilepsie mit Angstzuständen verbunden. Angesichts dessen sei die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von einer Millionen Euro durchaus gerechtfertigt.
Dauerhafte Hirnschädigung nach zu später Operation
Nicht ganz so viel Schmerzensgeld wurde einem Jungen vom Hamburger Landgericht zugesprochen. Bei ihm war im Alter von 13 Jahren ein Hirntumor diagnostiziert worden. Das Kind wurde daraufhin zur sofortigen Operation kurz vor Ostern des Jahres 2011 in eine Klinik eingewiesen.
Die dortigen Ärzte sahen jedoch keine Veranlassung für eine Notoperation. Nicht zuletzt auch wegen Personalmangels planten sie den Eingriff daher erst für den Dienstag nach Ostern ein. Zu spät: Am Ostersonntag blutete der Tumor aus.
Das hatte zur Folge, dass der inzwischen junge Mann eine dauerhafte Hirnschädigung mit der Folge einer Schwerstbehinderung erlitt. Die Richter sprachen ihm daher mit Urteil von 23. Juni 2021 (336 O 438/17) ein Schmerzensgeld in Höhe von 450.000 Euro zu.
Zusehends höhere Schmerzensgeldbeträge
Dass deutsche Gerichte insbesondere Geschädigten, die einen Hirnschaden erleide, zusehends höhere Schmerzensgeldbeträge zusprechen, belegt auch ein Urteil des Landgerichts Gießen aus dem Jahr 2019. Dort war es um die Klage eines seinerzeit 17-jährigen Mannes gegangen.
Der junge Mann hatte wegen eines Verschuldens des Klinikpersonals im Rahmen einer Routineoperation eine Schädigung seines Gehirns erlitten. Ihm musste letztlich ein Schmerzensgeld in Höhe von 800.000 Euro gezahlt werden (VersicherungsJournal 11.11.2019).
(Quelle VersicherungsJournal 03.06.2021)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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