Ein gesetzlich Krankenversicherter hatte nicht sämtliche Möglichkeiten ausgeschöpft, um seine Schmerzzustände durch herkömmliche Methoden zu behandeln. In diesem Fall hat der Betroffene keinen Anspruch auf eine Versorgung mit medizinischen Cannabisblüten durch seine Krankenkasse. Das geht aus einem Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 11. Mai 2021 hervor (L 16 KR 163/21 B ER).
Der Entscheidung lag ein Eilantrag eines 42-jährigen Mannes zugrunde, der seit etlichen Jahren unter chronischen Rückenschmerzen leidet. Nach einer Krebsoperation im Jahr 2013 kamen weitere Schmerzzustände hinzu. Die wurden offenbar durch eine zu große Hodenprothese ausgelöst.
Nachdem der Antragsteller erfolglos verschiedene Medikamente ausprobiert hatte, ließ er sich von seinem Arzt auf Privatrezept medizinische Cannabisblüten verordnen.
Sorge vor Impotenz
Weil er sich eine derartige Behandlung auf Dauer jedoch nicht leisten konnte, beantragte er bei seiner Krankenkasse schließlich die Übernahme der Kosten. Denn die anderen Medikamente hätten nicht den gleichen gewünschten schmerzmindernden Effekt erzielt, wie das Cannabispräparat.
Der gesetzliche Krankenversicherer lehnte den Antrag allerdings ab. Er argumentierte, dass der Patient an keiner schweren Erkrankung leide und er andere therapeutischen Maßnahmen bisher nicht ausgeschöpft habe, um seine Schmerzen zu beseitigen.
Bei der Behandlung der Rückenschmerzen könne eine Reha helfen. Wenn die übrigen Schmerzen durch eine zu große Hodenprothese ausgelöst würden, stehe ihm das Recht zu, diese durch eine kleinere ersetzen zu lassen.
Dem hielt der Versicherte in seinem Eilantrag entgegen, dass er den Austausch der Prothese aus Sorge vor einer Impotenz ablehne. Da ihm andere Schmerzmittel nicht helfen würden, benötige er daher dringend eine Versorgung mit medizinischem Cannabis.
Kein medizinisches Akutgeschehen
Dieser Argumentation schlossen sich jedoch weder das in erster Instanz mit dem Fall befasste Sozialgericht Braunschweig noch das von dem Versicherten angerufene Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen an.
Ebenso wie die Krankenkasse zeigten sich auch die Richter nicht davon überzeugt, dass sich die Schmerzzustände des Mannes allein durch Cannabisblüten behandeln lassen. Er müsse sich daher auf die Ausschöpfung anderer Möglichkeiten verweisen lassen.
Im Übrigen liege kein medizinisches Akutgeschehen vor, welches eine vorgezogene Entscheidung im Rahmen eines Eilverfahrens rechtfertige. Denn wer wie der Antragsteller ein zu großes Hodenimplantat über sechs Jahre lang nicht austauschen lasse, könne sich nicht auf Eilbedürftigkeit berufen.
Seitdem eine Behandlung mit medizinischen Cannabisblüten zugelassen wurde, müssen sich die Gerichte häufiger mit Klagen von Versicherten gegen ihre Krankenversicherer befassen. Diese gehen in der Regel zu Ungunsten der Betroffenen aus (unter anderem VersicherungsJournal 23.5.2019).
(Quelle VersicherungsJournal 29.06.2021)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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