26.10.2020
Wann Medikamenteneinnahme den Versicherungsschutz kostet

Die Voraussetzungen einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls in der Kfz-Versicherung können nur unter bestimmten Umständen festgestellt werden. Hierfür reicht ein positiver Blut-Wirkstoffbefund nicht aus, wenn die Umstände der Einnahme bestimmter Medikamente und des Beginns der Ausfallerscheinungen vor dem Unfall nicht mehr festgestellt werden können. Das hat das Kammergericht Berlin mit Urteil vom 12. Mai 2020 entschieden (6 U 120/19).
Der Entscheidung lag eine Regressforderung eines Kraftfahrzeug-Versicherers zugrunde, dessen Versicherter nach der Einnahme eines Medikamentes einen Verkehrsunfall verursacht hatte.
Medikamentenbedingte Fahruntüchtigkeit?
Der Versicherer hatte in diesem Zusammenhang rund 14.000 Euro in seiner Eigenschaft als Haftpflicht- und Kaskoversicherer gezahlt. Die forderte er von den Erben des kurz nach dem Unglück verstorbenen Versicherten zurück.
Seine Forderung begründete er damit, dass der Autofahrer die Kollision vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig verursacht habe. Denn die polizeilichen Ermittlungen hätten ergeben, dass er zum Zeitpunkt des Unglücks unter dem Einfluss eines Medikaments gestanden habe, das eine Fahruntüchtigkeit bewirkte.
Letzterem widersprach das Berliner Kammergericht zwar nicht. Es hielt die Regressforderung des Versicherers gleichwohl für unbegründet.
Denn auch das in der Vorinstanz mit dem Fall befasste Berliner Landgericht habe nicht aufklären können, welches Medikament der Verstorbene zu welchem Zeitpunkt und in welcher Dosierung am Unfalltag eingenommen hatte. Das sei auch den beklagten Erben nicht bekannt gewesen.
Fehlender Nachweis für Sorgfaltspflichten-Verstoß
Deshalb stehe nicht fest, dass der Mann bei Einnahme des Medikaments etwa 45 Minuten vor dem Unfallereignis habe wissen müssen, dass er fahruntüchtig sei. Denn auch die gut zwei Stunden nach der Kollision durchgeführte Blutuntersuchung lasse keinen Rückschluss auf konkrete Ausfallerscheinungen zum Zeitpunkt des Fahrantritts zu.
Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass der Verstorbene die Fahrstrecke von seinem Wohnort bis zum Unfallort ohne Ausfallerscheinungen zurückgelegt habe.
Das in erster Instanz mit dem Fall befasste Landgericht habe zwar einen unentschuldbaren subjektiven Sorgfaltspflichten-Verstoß erkannt. Denn der Betroffene habe den Beipackzettel für das Medikament, das er eingenommen hatte, entweder nicht gelesen oder aber die darin festgehaltenen Hinweise nicht beachtet.
Dem sei jedoch nicht zu folgen. „Denn solange nicht feststeht, welches Medikament der Verstorbene tatsächlich eingenommen hatte und deshalb über den möglichen Inhalt des Beipackzettels nur Spekulationen möglich sind, kann darauf die Feststellung eines besonders gravierenden Sorgfaltspflichten-Verstoßes nicht gestützt werden“, so das Berufungsgericht.
Kfz-Versicherer scheitert mit Regressforderung
Nach Ansicht der Richter hätte der Versicherer seine Regressforderung daher nur unter bestimmten Voraussetzungen durchsetzen können. Dies treffe zu, wenn festgestellt worden wäre, dass der Versicherte das Auftreten der Ausfallerscheinungen als solche registriert und richtig zugeordnet hätte.
Er hätte ebenfalls – trotz der Erkenntnis, sich möglicherweise in einem Zustand der Fahruntüchtigkeit zu befinden – seine Fahrt angetreten beziehungsweise fortsetzen müssen.
Einen solchen Schluss ließen jedoch weder die polizeilichen Ermittlungen noch das Ergebnis der Blutuntersuchung zu. Das Gericht sah keine Veranlassung, eine Revision zum Bundesgerichtshof zuzulassen.
(Quelle VersicherungsJournal 24.07.2020)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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