Das Bundesverfassungs-Gericht hat mit einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss vom 19. März 2020 einen Eilantrag eines gesetzlich Krankenversicherten abgelehnt, mit welchem dieser die Durchführung eines Ende letzten Jahres beschlossenen Gesetzes zur Auswertung von Patientendaten verhindern wollte (1 BvQ 1/20).
Die gesetzlichen Krankenversicherer sind zur Verbesserung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Versorgung gemäß § 68a Absatz 5 SGB V dazu ermächtigt, bestimmte Gesundheits-Informationen wie zum Beispiel zur Einnahme von Medikamenten zu erheben.
Diese dürfen sie zusammen mit personenbezogenen Daten an den Spitzenverband der Krankenkassen als Datensammelstelle zu übermitteln. Dieser soll die Angaben anschließend in möglichst anonymisierter, zumindest aber pseudonymisierter Form an ein noch einzurichtendes Forschungszentrum weiterleiten.
Zweck der Erhebung ist es, die ausgewerteten Informationen für die medizinische Forschung sowie für die Planung, Analyse und Evaluation der Gesundheitsversorgung sowie zur Unterstützung politischer Entscheidungsprozesse und für Aufgaben der Gesundheits-Berichterstattung zu nutzen.
Tiefe Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht
Der unter einer seltenen Erbkrankheit leidende Beschwerdeführer traut dem Verfahren jedoch nicht. Er befürchtet, trotz der Sicherheitsvorkehrungen reindentifiziert werden zu können. Außerdem hat er grundsätzliche Bedenken hinsichtlich der IT-Sicherheit der Daten gesetzlich Versicherter. Er fühlt sich durch das Gesetz daher in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt.
Die Verfassungsrichter halten die Einwände für so gewichtig, dass sie sie nun im Rahmen einer noch zu erhebenden Verfassungsbeschwerde prüfen wollen. Eine Entscheidung im Rahmen des Eilantrags des Mannes lehnten sie jedoch ab.
Nach derzeitigem Stand sei eine Verfassungsbeschwerde weder offensichtlich unzulässig noch unbegründet. Denn mit der flächendeckenden Erhebung der sensiblen Daten seien tiefe Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht verbunden „deren Rechtfertigung durch die vom Gesetzgeber verfolgten Gemeinwohlziele nur unter näherer Prüfung der Ausgestaltung im Einzelnen möglich ist“ – so das Gericht.
Einwände werden erst im Hauptsacheverfahren vom Verfassungsgericht geklärt
Das im Rahmen einer vertieften Betrachtung zu prüfen, könne nur in einem Hauptsacheverfahren geleistet werden.
Das Bundes-Verfassungsgericht dürfe von seiner Befugnis, den Vollzug eines in Kraft getretenen Gesetzes auszusetzen, nur mit größter Zurückhaltung Gebrauch machen. Mit dem Erlass einer einstweiligen Anordnung sei nämlich stets ein erheblicher Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers verbunden.
Im Übrigen könne der von dem Antragsteller befürchtete missbräuchliche Zugriff Dritter auf seine Daten vor einer endgültigen Klärung nicht als mit hinreichender Sicherheit als unmittelbar bevorstehend angenommen werden.
Gericht hält möglicherweise eintretende Eingriffe heilbar
Im Hinblick auf zu Unrecht erhobener und gespeicherter Daten könnten nämlich Löschungsanordnungen ergehen. Ein möglicherweise eingetretener Nachteil sei daher nicht irreversibel.
Angesichts dessen würden die dem Antragsteller bei Nichtergehen einer einstweiligen Anordnung drohenden Nachteile nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit gegenüber jenen Nachteilen, die bei Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung trotz späterer Erfolglosigkeit einer noch zu erhebenden Verfassungsbeschwerde einzutreten drohen, überwiegen.
Dem Eilantrag könne daher trotz der ungeklärten Erfolgsaussichten nicht stattgegeben werden.
(Quelle VersicherungsJournal 04.05.2020)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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