15.06.2020
Beweisschwierigkeiten nach Autobahnunfall mit Fahrerflucht

Die Haftung eines Unfallverursachers setzt nicht zwingend voraus, dass der Geschädigte das Kennzeichen, dass jener gefahren hat, nennen kann. Das hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 31. März 2020 entschieden (13 U 226/15).
Der Kläger war nachts mit seinem Personenkraftwagen mit einer Geschwindigkeit von 170 bis 180 km/h auf einer Autobahn unterwegs, als er einem Lastkraftwagengespann ausweichen musste, das unvermittelt die Fahrspur wechselte. Dabei verlor er die Kontrolle über sein Fahrzeug.
Das Auto prallte gegen eine Betonwand und überschlug sich. Bei dem Vorfall wurde der Autofahrer lebensgefährlich verletzt. Er ist seitdem pflegebedürftig.
Videoaufzeichnung dokumentierte den Unfall
Der Fahrer des Gespanns hielt kurz an, fuhr dann aber weiter. Eine Verkehrsüberwachungs-Anlage hatte jedoch das Unfallgeschehen per Video dokumentiert. So konnte zumindest die Spedition, welcher der Lastkraftwagen gehört, ermittelt werden.
Das Kennzeichen des Gespanns konnte allerdings nicht identifiziert werden. Alle von der Polizei vernommenen Fahrer der Spedition, die für die Verursachung des Unfalls infrage kamen, bestritten, etwas mit dem Vorfall zu tun zu haben.
Firmenaufschrift der Spedition zu sehen
Die Klage des Geschädigten auf Ersatz von zumindest 50 Prozent seines Schadens war denn auch in der ersten Instanz erfolglos. Das mit dem Fall befasste Landgericht Darmstadt kam zu dem Ergebnis, der Mann habe wegen des nicht identifizierten Lkw-Kennzeichens nicht nachweisen können, dass das den Unfall verursachende Fahrzeug der Spedition gehörte.
Dieser Argumentation wollten sich die Richter des von dem Kläger in Berufung angerufenen Frankfurter Oberlandesgerichts nicht anschließen. Sie hielten die Klage für begründet.
Zwar habe der Kläger das amtliche Kennzeichen aufgrund seiner schweren Verletzungen sowie der Unfallflucht des Lkw-Fahrers nicht nennen können. Aus der Videoaufzeichnung sei aber ohne jeden Zweifel ersichtlich, dass der Lastkraftwagen, der den Unfall ausgelöst hatte, die Firmenaufschrift der Beklagten trug. Auch die Heckgestaltung des Lkw habe derjenigen der Lastkraftwagen-Flotte der Spedition entsprochen.
Spedition hat zumutbare Nachforschungen unterlassen
Die Firma habe die Behauptungen des Klägers wegen ihrer sekundären Darlegungslast nicht einfach bestreiten dürfen.
Sie sei vielmehr im Rahmen des Zumutbaren dazu verpflichtet gewesen, in ihrem Geschäftsbetrieb nachzuforschen, denn drei ihrer Fahrzeuge hätten am Unfalltag unstreitig und durch Videoaufzeichnungen belegt die Autobahn im Bereich der Unfallstelle befahren. Die Spedition hätte mitteilen müssen, welche Kenntnisse sie über die Umstände einer eventuellen Unfallbeteiligung dieser drei Lkw gewonnen hat.
Keinerlei Anstrengungen unternommen
Die Beklagte hätte zum Beispiel die Fahrtenschreiber-Daten der betreffenden Lastkraftwagen sichern und dem Gericht vorlegen können. Möglich sei ihr außerdem, die Mautdaten sowie Daten aus dem Satellitensystem der von ihr verwendeten Fahrzeuge auszuwerten. Denn dass andere Unternehmen eine wortgleiche Firma und auch die in den Aufzeichnungen erkennbare Webadresse nutzten, erscheine höchst unwahrscheinlich.
Da die Spedition keinerlei Anstrengungen unternommen hatte, den Lastkraftwagen, der den Unfall ausgelöst hatte, und dessen Fahrer zu ermitteln, hielten die Richter die Forderungen des Klägers für berechtigt.
Das Gericht sah keine Veranlassung, eine Revision gegen seine Entscheidung zuzulassen.
(Quelle VersicherungsJournal 21.04.2020)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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