Mit Aussagen auf der Homepage und gegenüber Versicherungsmaklern soll die Haftpflichtkasse sich klar zur Deckung von Corona-Schäden durch Betriebsschließungen geäußert haben. Der Versicherer verneint dies. Ein Gutachten von Professor Dr. Walter Seitz, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht München a. D., sieht die Assekuranzen umfassend in der Leistungspflicht.
Der Streit um die Leistungspflicht wegen Pandemie in der Betriebsschließungs-Versicherung (BSV) geht weiter. Dabei fährt die Anwaltskanzlei Wilhelm Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB starke verbale Geschütze auf: „Betriebsschließungs-Versicherung: Haftpflichtkasse Darmstadt löschte Corona-Deckungszusage“.
Vorwurf: „Haftpflichtkasse Darmstadt löschte Corona-Deckungszusage“
Gleichzeitig veröffentlicht die Kanzlei einen Screenshot, auf dem sich der Versicherer nach Meinung der Rechtsanwälte klar zu seiner Leistungspflicht aufgrund des Coronavirus bekennt.
Dort heißt es: „Am 1.2.2020 wurde der Coronavirus als meldepflichtige Krankheit im IfSG aufgenommen. Da wir unter anderem Krankheiten nach §§ 6 und 7 des IfSG versichert haben, gilt eine Betriebsschließung durch eine Behörde aufgrund des Coronavirus im Rahmen unserer Bedingungen als mitversichert."
Weiter führt die Haftpflichtkasse aus: „...Voraussetzung für eine Entschädigung durch den Versicherer ist, dass der versicherte Betrieb durch die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutz-Gesetzes (IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger seinen Betrieb oder seine Betriebsstätte schließen muss.“
Haftpflichtkasse Screenshot (Bild: Wilhelm RA). Zum Vergrößern Bild klicken.
E-Mails an Makler
Die Information aus dem Screenshot soll Anfang März 2020 auf der Website Haftpflichtkasse.de gestanden haben. Gleichzeitig würden den Anwälten wortgleiche schriftliche Aussagen durch verschiedene Sachbearbeiter der Haftpflichtkasse gegenüber Versicherungsmaklern vorliegen.
Eine dem VersicherungsJournal vorliegende E-Mail der Abteilung „Haftpflicht Vertrag - Firmenkunden" ist mit dem 13. März 2020 datiert.
Nach Meinung der Anwälte habe sich die Kommunikation des Versicherers um „180 Grad“ gedreht, als klar wurde, dass es zu flächendeckenden Schließungen von Restaurants, Gaststätten und Hotels kommen würde. Die Aussagen im Netz seien nun „verschwunden“ und gegenüber Maklern angekündigter Versicherungsschutz sei versagt worden.
Wir sehen gute Erfolgsaussichten für die Versicherungsnehmer.
Dr. Mark Wilhelm, Managing Partner bei Wilhelm Rechtsanwälte.
Keine Verhandlungs-Bereitschaft
„Gespräche über den Versicherungsschutz seiner Kunden lehnt der Vorstand der Haftpflichtkasse seitdem ab“, heißt es in der Mitteilung der Anwälte. Stattdessen verweise der Versicherer auf das „magere Kulanz-Angebot“ von 15 Prozent, die sogenannte bayerische Lösung (VersicherungsJournal, 29.4.2020,16.4.2020).
„Im Auftrag eines Großteils der von uns vertretenen Kunden reichen wir gegenwärtig Klagen ein. Die Aussagen der Haftpflichtkasse zu Beginn der Corona-Krise werden wir vor Gericht einbringen. Wir sehen gute Erfolgsaussichten für die Versicherungsnehmer“, erklärte Dr. Mark Wilhelm, Managing Partner bei Wilhelm Rechtsanwälte.
Zu den Aussagen zum Erfolg möchte Die Haftpflichtkasse VVaG „zugunsten eines sachgerechten Umgangs“ mit Klagen keine Auskünfte erteilen.
In der Sache macht der Versicherer seine Position aber sehr deutlich. So trete die Betriebsschließungs-Versicherung (BSV) ein, wenn im versicherten Betrieb „selbst“ Krankheiten oder Krankheitserreger auftreten und die zuständige Behörde die Schließung anordnet.
Hierbei handelt es sich folglich nicht um einen vereinbarten Versicherungsfall.
Daniel Ruths, Sprecher der Haftpflichtkasse, zur Betriebsschließungen aus generalpräventiven Gründen, ohne dass ein konkreter Infektionsfall vorlag
Keine Gefahr für andere
„Unsere Betriebsschließungsversicherung zahlt also vertragsgemäß den Schaden, wenn 1) im Betrieb ein versicherter Erreger (Covid-19 zählt für uns hier grundsätzlich dazu) aufgetreten ist und 2) der Betrieb aus diesem Grund geschlossen wurde“, erläutert Daniel Ruths von der Unternehmenskommunikation der Assekuranz.
Von Betrieben, die aus generalpräventiven Gründen – durch eine Allgemeinverfügung – geschlossen wurden, ohne dass ein konkreter Infektionsfall vorlag, sei somit keine unmittelbare Gefährdung für die Gesundheit anderer ausgegangen. Ruths: „Hierbei handelt es sich folglich nicht um einen vereinbarten Versicherungsfall.“
Zu der Zahl der Kunden, die bei der Haftpflichtkasse die „bayerische Lösung“ angenommen haben, möchte sich der Versicherer nicht äußern.
Die Versicherungs-Unternehmen sind […] zur Leistung […] verpflichtet.
Professor Dr. Walter Seitz, Vorsitzender Richter am OLG München a. D.
Neues Gutachten: mehrdeutige AVB gehen zu Lasten der Versicherer
Viele Juristen folgen der Argumentation der Versicherer hinsichtlich einer notwendigen Einzelverfügung nicht (VersicherungsJournal, 25.05.2020). Neu ist ein Privatgutachten von Professor Dr. Walter Seitz, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht München a. D., das dem VersicherungsJournal vorliegt.
Darin kommt der Jurist zum Schluss, dass die meisten AVBs mehrdeutig verstanden werden könnten. Sie könnten somit sowohl nur für die Schließung von einzelnen Betrieben gelten als auch für Massenschließungen. In diesem Fall gelte die „kundenfreundlicherer Verständnismöglichkeit.“
„Die Versicherungs-Unternehmen sind vorliegend wegen des Auftretens des Corona-Virus und der daraus folgenden Massenschließungen zur Leistung der vereinbarten Entschädigung verpflichtet“, stellt Seitz fest.
„Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass der Anspruch auf Zahlung der Versicherungssumme bei Betriebsschließungs-Versicherungen wegen der Untersagung der Öffnung von Gaststätten grundsätzlich uneingeschränkt besteht.“
Rechtsanwälte helfen finanzschwachen Versicherten
Die Kanzlei Wilhelm vertritt nach eigenen Aussagen derzeit mehr als 500 Gastronomen und Hoteliers in ganz Deutschland, deren Versicherer trotz bestehender Police nicht „vertragsgemäß“ zahlen.
Darunter sind derzeit rund 50 Kunden der Haftpflichtkasse Darmstadt. Die Zahl der Mandanten würde täglich steigen. Gibt es nach Meinung der Anwälte eine Aussicht, ein Verfahren gegen einen Versicherer zu gewinnen, wird das Mandat übernommen. Wer sich einen Streit aus wirtschaftlichen Gründen nicht leisten kann, wird von Wilhelm gegen eine Erfolgsbeteiligung von 15 Prozent vertreten.
(Quelle VersicherungsJournal 05.06.2020)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
juergenzwilling@auc-zwilling.de ursulazwilling@auc-zwilling.de